Freitag, 23. Januar 2009

Danksagung,Widmung, Copyright


Danksagung
Es wäre mein größter Wunsch, dass meine Geschichte viele Leser als Beispiel inspiriert. 
Mögen sie dem Dharma folgen und glücklich erleben und sterben.

Weil alles nicht mehr als eine bloße Erscheinung ist,                                                      vollkommen, einfach so wie es ist,
nichts zu tun hat mit "gut" und "böse",
mit "annehmen" oder "ablehnen",
kann man ebensogut in Lachen ausbrechen.


(Longchen Rabjama Rinpoche, 14.Jhd.)


 

16. Karmapa


WIDMUNG 


Ich möchte allen danken, die an der Entstehung dieses Buches beteiligt waren. 
Besonderen Dank    
an Treya Wilber, weil sie mich hielt in der Nacht und weil sie meine Grüne Tara ist
an Hannah Nydahl für "a la la ho" und weil meine tanzende Dakini auf ihrem Fensterbrett steht 
an Lama Ole, weil "you get what you buy" und sein Löwenlachen
an den 16. Karmapa, weil er seinen Schülern mit der Karmapakontroverse zeigen wollte, dass alles Lachen ist.

an den 17. Karmapa beyond all words
an Denis Golubev, und den Zucker im Tee
an Boris Ashman, weil er mir mein Lachen zurück gab
Und natürlich an Doris Day und ihr Que Sera, sera ... what ever will be, will be/the future it´s not ours to see





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Um mal kleinlich zu werden -
Alle Texte von mir, die in diesem Blog veröffentlicht werden, sind geschützt.
Dies gilt auch, wenn am Schluss von einem Text der Begriff 'copyright' nicht ausdrücklich erwähnt wird.

copyright*piri schmidt :-)































































































































































































inhaltsverzeichnis


Widmung, Danksagung, copyright
Inhaltsverzeichnis
begin the begin
Vorhang auf / Das Beste zuerst
1. Dumm gelaufen (ab 63)
2. Freaks (ab 82)
3. Jubelkrüppel (ab 84)
4. Etwas Dunkles, Schweres kommt (Anfang Januar '87)
5. Am Ende der Fahnenstange
6. Out of ticky tacky
7. Die Geister, die ich rief (Sommer 87)
8. So Innen wie aussen 
9.Den Sternen so nah (Sommer 88)
10. Berlin, Berlin (ab 90)
11. Treya/ Tara (94)
12. Treyas Weg
13. Den Lehrer finden (95)
14. Das Eis bricht (Beginn 96)
15. Gemischte Gefühle (Sommer 96)
16. Die Seifenblase platzt (Karfreitag 97)
17. Ein einsamer Verwirklicher
18. Wieviel meditieren ist nötig (98)
19. Kagyü oder die Kunst im Widerspruch zu leben
20. Die letzte Reinigung (98/99)
21. Die Buddhas sind immer da (Frühjahr 99)
22. the Boygroup (Herbst 99)
23. Das Mandala (Januar 2000)
24. Hofbräuhaus auf tibetisch ( Februar 2000)
25. Ein kleiner wilder Russe (März 2000)
26. Ein Osterei in Stuttgart
27. Im Wind tanzen
28. Einmal Moskau, und zurück
29. Dies ist, weil jenes ist
30. Found kisses
31. Ein Fliegender Teppich
32. Schnee ist auch nur kalter Regen
33. Kill the Freak
34. Etwas Dunkles, Schweres geht
35. Vom Dunkel ins Licht
36. Die Daikini tanzt
37.Daimons are a girls best friend
38. Wat mutt dat mutt
39. Mind is dreaming itself
40. No mind, no problem
41. Medizinbuddha
42. Frieda und ich
43. Sternenflüstern

Die rote Markierung kennzeichnet immer das Kapitel das gerade bearbeitet wird.

Copyright* Piri Schmidt
 





begin the begin

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Wie soll ich nur meine Tage füllen ohne Dich ? Schon wieder das Ding mit dem Ende der Fahnenstange!
" Dennis wartet jetzt auf Dich im reinen Land" (Ole)

"Wenn Du die Zeit für reif erlebst, bitte schreib Dein Buch. Du wirst vielen Leuten helfen können."(Ole, auf einem Flugzeugzwischenstopp aus irgendwo in Südamerika, am 14.April 2001)

Und die Buch Idee. Mein Lama ist ein cleveres Kerlchen. Ein Buch weil da niemand ist, mit dem ich reden kann. Therapietagebuch! Alles von der Seele runter.

Lalala: We`re the children of the eighties haven´t we grown.
We´re tender as a Lotus and we´re tougher than a stone.
And the age of our innocence is somewhere in the garden. (Joan Baez)


copyright by Piri Schmidt

Vorhang auf / Das Beste zuerst

Vorhang auf

(Nichts gegen T-shirt-Sprüche- Wahrheitsplitter auf den Punkt gebracht. Meine Lieblingswahrheit ist-
To boldly go where Star Trek doesn't thread through -
Um kühn zu sein, geh dahin wo Star Trek nicht mehr hinkommt-

-Geh auf die Suche!
Entdecke deinen Geist! Erforsche deinen Geist!  Erfahre deinen Geist!
Vor 2500 Jahren war das der Rat von Buddha an seine Schüler, um glücklicher zu leben und zu sterben und wiedergeboren zu werden. 


Mit anderen Worten: Glück ist, zu erleben, wie die Dinge wirklich sind. 
Jeder von uns erlebt die Welt anders. Jeder erlebt seine eigene Wirklichkeit. Wir bedingen uns durch eine bestimmte Wahrnehmung der Dinge. 

Solange wir nicht erleben können, wer wir wirklich sind, definieren wir uns durch Scheinidentitäten. Wir wähnen in uns eine Identität und bauen für sie unsere Wirklichkeit. Damit baue ich mir mein eigenes Gefängnis in meinen Geist. 

Auf einmal gibt es meine Identität und die Identität der anderen. Ich bin ich. Du bist du. Ich und du sind nicht dasselbe. 

Unsere Sichtweise, unsere Wahrnehmung der Realität, ist geprägt von dieser dualistischen Sicht auf die Dinge. Das Ende dieser dualistischen Sicht ist Befreiung, Erleuchtung - ist Glück.  

Eine veränderte Sichtweise ist möglich. Unsere Wahrnehmung der Dinge ist veränderbar. Unsere Wirklichkeiten sind veränderbar. Unsere Leiderleben ist veränderbar. 

Wir haben uns unser Gefängnis in unserem Geist gebaut. Und dieses Gefängnis ist auch durch die Kraft unseres Geistes wieder zerstörbar. Unser Geist hat die Kraft, zur Selbstbefreiung.

Ich sitze im Rollstuhl. Mein ganzes Leben hindurch war meine Wirklichkeit geprägt durch die Wahrnehmung der körperlichen Behinderung. Ich definierte mich durch meinen kaputten Körper. Ich wählte mir diese Scheinidentität. Mit ihr baute ich mir mein eigenes Gefängnis. 

Erst durch den Buddhismus begriff ich, dass ich dieses Gefängnis, so wie ich es mir erschaffen habe, auch wieder zerstören kann.

Durch meine Übungen veränderte sich die Wahrnehmung meiner Wirklichkeit. Meine Behinderung ist kein bloßes Gefängnis, sondern ein kostbares Werkzeug, um anderen zu helfen. Ich habe einen kaputten Körper, aber ich bin nicht mein kaputter Körper. 


Ich konnte bewusst erleben, dass die Identifikation mit dem kaputten Körper das ist, was mein Leben behindert. Und es gibt immer mehr Momente, in denen ich mich als das wahrnehme, was ich wirklich bin: Ich bin klarer Geist, klares Bewusstsein, klares Licht. 

AAA

(Wenn ein kaputter Körper sagt, ich bin kein kaputter Körper, dann ist das oft hilfreicher als ein nichtkaputter Körper, der erklären will, dass wir nicht unser Körper sind. :-))
Oder: Wenn jemand der offensichtlich im Gefängnis sizt, den Weg weitergibt um Gefängnis zu zerstören, dann kann das sehr hilfreich sein.
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Eigentlich stammt aber die Idee zu diesem Buch von einem russischen Freund. Ihm erzähle ich diese Geschichte.
Bei unserer Begegnung war Karma im Spiel. Wir hatten eine starke Verbindung in diesem Leben und erneuerten damit ein Versprechen aus vorangegangenen Leben.

"Wenn Zwei Wasser aus demselben Brunnen schöpfen, dann zeigt das, dass sie sich bereits aus dem letzten Leben kennen." -Das ist einer meiner buddhistischen Lieblingssätze. Denn er weist auf die Dimension hin, die im Spiel ist, wenn Zwei sich wieder begegnen.

Damals lebte ich in Berlin und er am andern Ende der Welt, in Sibirien.
Unser Brunnen war der DWBN-Chat. Wohl die einzige Möglichkeit in diesem Leben uns zu finden.

Denn das Versprechen, das wir uns in einem anderen Leben gegeben hatten, war, uns in jedem Leben bis zur Erleuchtung wiederzufinden und uns in unserer Entwicklung zu helfen.

Irgendwann bat er mich, aufzuschreiben, wie ich zum Buddhismus gekommen war. Aber wie es so geht... In diesem Sommer damals, hatte ich keine Zeit für lange Emails. Denn in diesem Jahr besuchte der 17. Karmapa zum ersten Mal seine Schüler in Europa.
So verabredeten wir uns für den Winter. Ich wollte ihm auf dem Sylvesterkurs 2000 in Hamburg die ganze Geschichte erzählen.

Als ich ihn warnte, dass er bestimmt Stunden brauchen würde, um mich ohne meine Assistentin verstehen zu können, lachte er nur und sagte, dass er alle Zeit der Welt für mich hätte. - Damals dachte ich auch tatsächlich, wir hätten alle Zeit der Welt.

Doch zu unserer Begegnung in Hamburg kam es nicht. Denn ein paar Tage nach unserer Verabredung war Denis tot. Er starb im August 2000 auf einer Rafting-Tour in Irkutsk. Meine Geschichte konnte ich ihm nie erzählen.

Darum will ich sie jetzt für ihn erzählen.
Also schreibe ich, schreibe und schreibe...
-und wenn sie nicht gestorben ist, dann wird sie auch noch morgen schreiben!
Wenn er die Geschichte im nächsten Leben lesen wird, dann wird er sich erinnern.

[Hier ist also nun meine Wintergeschichte für dich, Denis -Du musstest lange auf sie warten.]

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Copyright * Piri Schmidt


Das Beste zuerst

“If you want to swing on star carrymoonbeams on a jar…” (Version von Vonda Shepard in Ally McBeal!)


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Mondstrahlen- Erinnerungsbilder. Verdichtungen aus Zeit und Gefühl. Diese Bilder habe ich aufgenommen, Denis. Über die Jahre kommt da schon einiges zusammen. Wenn ich diese Bilder auffädeln würde, wäre das wie eine Kette, kostbare Medaillons. Und von allen Medaillons wäre dies das kostbarste und wertvollste.
   
Mein Leben begann mit meinem Tod. Das war 1987 im St. Josephs Krankenhaus im Freiburg IB . Ich war 24 Jahre alt.  
                                                                                                                                                                                                                                       

Zwischenzustand. Zwischen den Dimensionen. Zwischen den Ebenen. Zwischen den Welten. Zwischen Leben und Tod. – Zwischenzustand!  Zustand zwischen Leben und Tod. Zustand zwischen den Dimensionen, zwischen der Zeit, zwischen den Ebenen. 

WO ich bin, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass ich nach hause komme. Ich bin da, wo ich immer hin wollte.

Die Schwere des Körpers geht fort. Alles ist nun leicht und friedlich, jetzt. Die Liebe ist so voll. Ich bin so klar. So bewusst.ICH BIN. 
Ich sehe ein helles klares Licht. Noch bin ich nicht in diesem Licht, aber nichts wünsche ich mir mehr, als dort zu sein.
Die Worte "Licht" und "Ich" sind falsch. Denn es gibt kein „ich“, „mich“, „Licht“ dort mehr. Eigentlich gibt es auch kein Hier und Dort mehr. Es ist nur noch Bewusstsein. Ich bin reine Bewusstheit.
Und eigentlich ... „sehe“ ich das Licht auch nicht, ich fühle es. Ich bin umgeben von einem Zustand unendlicher Liebe.
Ich weiß um die Gegenwart meines Vaters. Er empfängt mich und begleitet mich. Ich sehe ihn nicht im herkömmlichen Sinne. Er ist mir bewusst. Ich höre eine Stimme. Doch mein Vater ist es nicht.
Die Stimme fragt, ob ich umkehren will. Die Worte "Hören" und "Fragen" sind falsch. Ich höre diese Frage nicht. Ich fühle diese Frage. Ich BIN die Frage. Und ich BIN die Antwort. Ich bin der Sinn der Worte. Ich bin die Energie der Frage und die Energie der Antwort. Ich BIN die Antwort.
Die Antwort kommt sofort. Ohne zu zögern entscheide ich mich zur Umkehr. Ich beschließe aufzuwachen.
Plumps! – Die Schwere des Körpers ist wieder da. Ich fühle seine Enge. In diesen plumpen Körper gehöre ich nicht. Da will ich nicht hin. Dort bin ich nicht. Ich bin dort wo das Licht ist. Ich bin dieses klare Licht.

Ich weiß genau, wo ich jetzt bin. Ich bin im Krankenhaus. Ich weiß, wo ich klingeln muss, damit die Schwester kommt.
Aber die Schwester kommt nicht, sondern ein junger Pfleger. Verlegen zögert er eine Weile. Doch dann fragt er: sag mal, wo warst du? Du hast die ganze Zeit gelächelt!
 Ich schweige. Ich bin froh noch nicht die Kraft zu haben, um reden zu können. Ich kann nicht in Worte fassen was da geschehen ist. Mir fehlen die Worte. Jedes Wort wäre falsch. Die Unfassbarkeit des Erlebten kann man nicht in Worte pressen. Jedes Wort wäre unangemessen. Was da geschehen war, werde ich nicht mit ihm teilen, weil es nichts gibt, was ich mit ihm teilen kann!

Was kann ich denn sagen? „Ich weiß jetzt was wirklich ist. Ich bin dieses klare Licht. Ich war Bewusstheit, die sich selbst bewusst war!“
Ich hatte einen Suizidversuch gemacht. Schlaftabletten und Wodka – viel viel Wodka Die Monate davor hatten mich gebrochen. Etwas Dunkles, Schweres war gekommen und am Ende fiel mir keine andere Antwort mehr ein, als eine Überdosis Schlaftabletten. 
Ich wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Der Magen wurde ausgepumpt. Trotzdem starb ich. Eine zeitlang war ich klinisch tot. 
In diesen paar Minuten hatte ich ein Nahtoderlebnis. Ich erlebte einen Zustand vollkommenen Friedens, Freiheit, Liebe. Ziemlich kitschig und abgedroschen, ich weiß. Nahtoderlebnisse sind trendy. Jeder hatte eins.
Wie auch immer - Nichts, was ich in meinem Leben je erfahren habe hat mich tiefer berührt. Nichts hat mein Leben mehr verändert.- Mehr beeinflusst. Mehr Richtung gegeben. Eine andere Richtung gegeben.

In diesem Moment war mir das nicht so klar. Da war zuerst mal eine unglaubliche Wut auf alle, die meinen Plan verhindert hatten. Die Wut war wohl eher Verwirrung. Ich schlug die Augen auf und war verwirrt. Warum hatte ich gewählt in mein Gefängnis zurück zu kehren. Ich war doch schon entkommen.
Hatte ich mich nicht schon selbst befreit? Ich hatte ja keine Ahnung, wie weit ich noch von dem, was wirkliche Selbstbefreiung ist, entfernt war.
Hier und jetzt begann die Suche. Die Suche nach Antworten.
Was war da mit mir geschehen? Ich hatte keine Erklärungen, Bilder, Konzepte. Und das konnte so nicht bleiben. Ich musste ein Konzept finden, dass mir erklärte, was mit mir geschehen war.
Meist kommt ja erst die Theorie und dann die Praxis. Bei mir war es umgekehrt! Darum kann ich jetzt sicher sein, dass die Theorie, der Erklärungsansatz, den ich entdeckt habe, stimmt. Verstehst du was ich meine, Denis?

Wenn du mich heute fragst, Denis, wie ich zum Dharma gekommen bin?- Das ist der Grund! 

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Copyright * Piri Schmidt
 

1. dumm gelaufen (ab 63)

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Scheiße! Ich hab vergessen, mit dir über Tofino zu reden. Es würde dir gefallen, da bin ich sicher. Is ne wilde Mischung. Hat was von "Northern Exposure". Am Pacific Rim auf Vancouver Island an der Grenze zu Alaska.
Ein paar Natives, ein paar Wale Watchers, ein paar Drop-outs aus New York.Und die Abendsonne färbt den Strand rosa. Farben wie im Bilderbuch.Wahnsinn! Wunderschön!
Aber das Beste ist,dass ich es erleben kann.Diesmal muß ich nicht draußen bleiben. Es gibt einen Holzbohlenweg runter zum Strand. Extra für den Rollstuhlfahrer, der vielleicht niemals kommt. Was aber egal ist. Denn die Möglichkeit entscheidet. Sie wird im Bewusstsein gehalten und ist einfach da.
Aber echt am krassesten ist die ökovollkorn Bäckerei. Mit warmen koriander Brötchen und richtigem Vollkornbrot. So was habe ich vergeblich in ganz Kanada gesucht. Das kanadische Brot ist echt gewöhnungsbedürftig. Irgend so ein Sandwichwabbelzeug. Und ausgerechnet hier… irgendwo im Niemandsland.
Schließ die Augen, Denis. Schmeckst du das Meer? Blenden dich die Sterne? Hörst du den Gesang des Nordlichts am Himmel?
Tofino ist mein Seelenort. Dort wirst du mich finden. Dort werde ich im nächsten Leben ein rollstuhlgerechtes Retreat-Zentrum aufbauen.

Dort habe ich schon ein Date mit Boris. Du musst auch kommen. Du würdest uns fehlen... 

AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA

Und... cut! Harte Schnitte! Neuer Film! - Das kennst du aber schon von mir, Dennis. Noch so ne wilde Mischung. Stakkato episch. Ein ganz neuer eigener Piri-Stil als Ausdruck meines Lebens. 
Waren halt inzwischen so viele Wechsel im Film. Die Prioritätenliste fällt da schwer. Und irgendwo gehört eh alles zusammen. Es entsteht ein Gesamtkunstwerk :-) 
Bin ich jetzt im Kinderfernsehprogramm hier, bei "Deutschland sucht den Superstar" würde ich wohl sagen, das Gesamtpaket zählt! 

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Ok! Einen Schritt zurück.
Das Vorher ist nicht unwichtig um das Nachher zu verstehen. Beginnen wir mal in der chronologisch direkten Reihenfolge. So gesehen begann die Geschichte mit meiner biologischen Geburt.
Die Geschichte beginnt in Wuppertal. Alles begann wie im Bilderbuch. Mein Vater war Chemiker, meine Mutter Krankengymnastin. Von der Geisteshaltung her waren beide stramme 68er. Aber wie es halt so geht, schlug die normative Kraft des Faktischen auch bei ihnen gnadenlos zu.
Mein Vater war bei seinem Marsch durch die Institutionen längst auf der Manageretage eines multinationalen Großkonzerns angekommen. Meine Mutter war inzwischen die Nur-Hausfrau im Hintergrund, die dem Mann beim Karrieresprung den Rücken freihielt.
Ich war das langersehnte Wunschkind meiner Eltern, nach mehreren Fehlgeburten meiner Mutter. Natürlich war ich das kleine, blondgelockte Prinzesschen meiner Eltern und besonders meines Vaters. Er genoss es, mich voller Stolz rumzuzeigen.
Bald folgte mir ein kleines Brüderlein. Und schwupps- war die Kernfamilie perfekt. Die kleine heile Familienwelt schien vollständig. Es war alles wie im Bilderbuch.
Wir haben eine ziemlich gute Pause erwischt, Denis.
Gutbürgerliche 68er- entsprechend zerrissen war der Erziehungsstil meiner Eltern. Sie schwankten zwischen dem laizer - faire im Kinderladen und bürgerlicher Höherer- Töchter-Erziehung. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb verlief meine Kindheit in den ersten Jahren völlig unbeschwert. Ich tobte mit den Nachbarjungens beim Fußballspiel, kletterte auf Bäume und tanzte im Ballettunterricht.
Bis, ja bis, ich ungefähr acht Jahre alt war.


Über Nacht bekam ich hohes Fieber. Über 40 Grad. Wochenlang. Die Eltern bangten um mein Leben. Die Ärzte waren ratlos. Bis heute weiß niemand, was das für eine mysteriöse Krankheit war, Denis. Ich bekam starke Medikamente, um wenigstens das Fieber mit Gewalt runter zu drücken. Aber das war's dann auch. Dann, genauso plötzlich, wie es gekommen war, ging das Fieber auch wieder.
Damit war alles durchgestanden, nahmen wir an. Die schwere Zeit schient vorüber. Wir erwarten, Denis, dass sich die bereits zur Gewohnheit gewordene Pause wieder einstellt. Aber irgendetwas war anders geworden. Zuerst war das nur für den krankengymnastisch geschulten Blick meiner Mutter deutlich.

In der Dunkelheit hatte ich Schwierigkeiten das Gleichgewicht zu halten. Beim Gummitwisthopsen mit meinen Freundinnen verloren wir wegen mir. Ich schwänzte immer häufiger den Turnunterricht in der Schule, weil er mir zu anstrengend war.
 Doch mit der Zeit wurden diese leichten Irritationen immer stärker. .Die Koordinationsstörungen wurden schlimmer.


Viele Bilder aus dieser Zeit bleiben in meinem Gedächtnis eingebrannt.
Bin 11 Jahre alt. Meine Lieblingsjahreszeit. Spätsommer. Ich laufe barfuß, und das Stoppelfeld piekst in meinen Füßen. Ein selbstgebauter Drache ist mein ganzer Stolz. Ich versuche zu rennen, damit er im Wind tanzt. Ich schaffe das auch,aber ich bin völlig aus der Puste. Laß mich auf den Boden plumpsen und japse nach Luft- irgendwie weiß ich, daß ich nie mehr rennen werde.
An diesem Tag rannte ich wircklich zum letzten Mal, Dennis. Ich wußte , dass ich diesen Augenblick mein Leben lang nicht vergessen werde.
Die leichten Störungen wurden zu stetigen Ausfällen. Der ganze Körper schien betroffen. Es wurde immer schwerer Bewegungen zu koordinieren. Die Sprache war betroffen. Das Gehör auch. Allmählich wurde klar, dass da wohl mit der Krankheit eine Krankheit gekommen war.
Das kleine Prinzesschen veränderte sich. Es wurde zum Sorgenkind seiner Eltern. Mein Vater erntete jetzt mitleidige Blicke. Auf einmal zeigte Papa mich nicht mehr mit stolzgeschwellter Brust herum. Beim Spielen stand ich jetzt häufig abseits. Immer seltener luden mich Klassenkameraden zu Kindergeburtstagen ein.
Ich verlor die Fähigkeit alleine zu gehen. Alleine schwankte ich und torkelte wie betrunken. Oft gafften Passanten mir dann hinterher und pöbelten mich an. Sie glaubten halt ein besoffenes, dreizehnjähriges Mädchen vor sich zu haben. Meine Mutter musste mich beim Laufen unterstützen. Mit Mutti in die Schule, mit Mutti aus der Schule, mit Mutti zu Mac Donalds. Ich wurde zum einsamen Kind. Später zum einsamen Teenager. Diese Zeit war so wichtig.
Meine Freundinnen interessierten sich für Jungs, Discos, Partys.
Aber ich verpasste das, denn ich hing am Arm von Mama. Das hatte manchmal schon etwas groteskes. Meine Mutter überspielte das einfach. Sie hielt die Fassade eisern aufrecht.

Dadurch verlor ich etwas den Bezug zur Wirklichkeit. Sogar etwas sehr. Das Groteske wurde für mich normal. Das hatte etwas tragisch-komisches.

Das war alles so krampfig. So unausgesprochen. Ein offenes Herangehen an die Krankheit und ihre Folgen war nicht möglich.
Ich war ein sehr unglückliches Kind. Ich litt unter meiner Krankheit. Meinem Zustand.
Aber eigentlich waren es nicht die Ausfälle des Körpers unter denen ich litt. Denn das was ich konnte oder auch nicht konnte, war ja für mich das Normale. Ich kannte ja nichts anderes. Es war so wie es war.
Das was mir wirklich wehtat waren die Reaktionen auf mich. Peinliches Berührtsein der anderen.  Mitleidsblicke oder offenes Sichlustigmachen.


Das Ganze sah dann  in etwa so aus:  
Meine neuen schwarzen Lackstiefel. Schwarz, knielang, mit Absatz, Glitzerlack - ein bißchen overdressed, ich gebs ja zu. Ein bißchen nuttig. Aber sind mein ganzer Stolz. Ich wollte sie schon immer haben.

Natürlich absolut gehuntauglich. Ich torkle, ich schwanke, ich hangle mich von Stützpunkt zu Stützpunkt.Aber auf die Idee, sie auszuziehen, komme ich nicht.Heute ist es für mich unfassbar.Ich kann mir einfach nicht erklären, warum ich die Dinger unbedingt behalten wollte.Leute kommen mir entgegen.Sie drehen sich um.Sie sprechen und spötteln.
Auf so hohen Schuhen müsste man laufen können, sagen sie mir. Ich glaube, erst in diesem Moment wird mir es klar. Erst jetzt nehm ich wahr, wie unnormal und unangebracht es für mich ist in solchen Schuhen laufen zu wollen.Nur weil man es normalerweise kann. Die Worte bringen mich zum Heulen.

Die nächsten paar Tage traute ich mich garnicht mehr aus dem Haus. Warum waren die anderen so grausam zu mir?
Langsam beruhigte ich mich wieder. In dieser Zeit zappte ich in einen Fernsehbericht über das Reha Zentrum in Heidelberg.
Ach war das wundervoll. Ich träumte mich weg und ich war so neidisch. Wie glücklich mussten die sein, die dort zur Schule gehen durften. Ich begriff, wie festgefahren mein Leben war. Es schien mir ausgeschlossen - jemals diese Möglichkeit zu bekommen.
Damals sah ich zum ersten Mal meine späteren Klassenkameraden, Dennis.

copyright*Piri Schmidt