Freitag, 23. Januar 2009

10. Treya/ Tara (94)

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10.1 Die WG
Unsere WG wird Zentrum der Freiburger Diaspora in Berlin.

10.2 Freiburg- Berlin
Nach und nach ziehen alte Freunde von Max in die WG.

10.3 Filter
Max übersetzt. Damit ist Max meine Verbindung zur Außenwelt. Mein soziales Leben ist undenkbar ohne Max.

10.4 Diplom
1994 schließe ich das Studium als diplomierte Sozialarbeiterin ab. Dabei steht fest, dass ich nie in diesem Beruf arbeiten werde.

(1994 schloss ich mein Studium ab. Zwar war ich nun diplomierte Sozialarbeiterin, aber mir fehlte die Kraft, um in diesem Beruf auch zu arbeiten. Immer noch konnte ich nicht längere Zeit ununterbrochen im Rollstuhl sitzen. Ich mußte häufiger liegen und brauchte immer wieder Ruhephasen.)

10.5 Danach
Das schwarze Loch danach (Meine ganze Energie der letzten Jahre hatte ich darauf verwandt das Studium hinter mich zu bringen. Jetzt endlich war es soweit und was passierte? Ich fiel in ein großes schwarzes Loch. Womit konnte ich in Zukunft meine Zeit füllen, grübelte ich.

die Antwort auf drängende Fragen kann so unangenehm sein, Denis

Darum planten Max und ich erstmal eine Reise in die USA – kleine Fluchten!)

10.6 That's America
Die USA so wie man sich das vorstellt
([Ich liebe nämlich Nordamerika, Denis.
Besonders die Westküste der USA hat es mir angetan. Die Ostküstenkultur ist dem snobistischen Europa viel zu ähnlich-aber die Westküste... That`s the real America, you know?
Das ist der wilde Westen.
Von Mexico bis Alaska, der Zusammenprall verschiedenster Kulturen und Lebensentwürfe. Die Westküste ist geschichtslos, größenwahnsinnig, kreativ, innovativ und darum fähig zur ungehemmten Kombination der kulturellen Einzelteile.
Die amerikanische Mischung von A- und B-Kultur! gelebten Aktionskunst. Nirgendwo auf der Welt gibt es weniger Berührungängste gegenüber Anderssein (und gleichzeitig mehr).
Die USA sind DAS Reiseland für Rollifahrer.)

10.7 Rollstuhlland
Die USA das Autoland - ein Paradies für Rollstuhlfahrer
(Das Leben spielt sich im Auto ab.

Das Reisen war für mich in den letzten Jahren zunehmend anstrengend und kompliziert geworden. Das Reisen in den USA war jedoch immer noch möglich. Eine Autorundreise in den USA war also genau das Richtige für unsere kleine Flucht.

Die USA sind ein Autoland, Denis. Du kannst so gut wie alles vom Auto aus machen. Drive-In einkaufen, essen, zur Bank gehen und heiraten und bestimmt gibt es auch Drive-In Beerdigungen.
Dazu muss man natürlich seinen ökologischen Schweinehund befreien, Denis. Man darf nach Herzenslust politisch unkorrekt sein, Denis. Mir macht das immer einen Heidenspaß.)

10.8 Europa in 7 Tagen
Und was tun wir diesmal? Crossing over 10 Länder
(Wir buchten diesmal eine Autorundreise mit unserem Freund Harald. Max und Harald tielen sich das Fahren. Das war die megalange Strecke. Das Fahren alleine wäre ein Fulltimejob gewesen. Obendrein übernahm Max aber auch noch meine pflegerische Betreuung.)

10.9 Auch das noch
Betreuung auf der Reise. Auch Reisen nur mit Max
(Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie das Reisen ohne ihn klappen sollte. Er macht und tut und organisiert. Ob er seine Grenzen kennt! Ich frage ihn das so oft, Denis. Er lacht dann nur und sagt: "Ich bin Supermax". Er kennt seine grenzen nicht! Eigentlich ahne ich das schon immer und eigentlich weiß ich auch schon immer, dass die Sache daran scheitern wird, aber was soll ich tun? Mehr als ihn fragen kann ich ja nicht. Ich muss ihn und das, was er sagt doch ernst nehmen - Jaja, ich geb's ja zu. Seine Fehleinschätzungen und sein Gerede von der grenzenlosigkeit sind ja auch genau das, was ich hören will.)

10.10 USA in 7 Tagen
8000 Kilometer in knapp vier Wochen. (Wir bewältigten etwa 8000 Kilometer in knapp vier Wochen. Die Tour führte von Seattle in die kanadischen Rocky Mountains und über die Salzwüsten Utahs nach Kalifornien und zurück nach Seattle. Fast jede Nacht schliefen wir in einem anderen Motel, sahen wir beim Aufwachen einen anderen Bundesstaat.)

10.11 Vom Rolli ins Bett
Das ist Luxus pur, Denis.
(Das ist einfach der totale Luxus für mich, Denis! Mit dem Auto vor die Zimmertür, um nicht zu sagen direkt vors Bett. Die beiden Jungs können mich vom Beifahrersitz ins Bett hiefen. Und morgen früh geht es dann weiter.)

10.12 Ziel des Weges
Viel Zeit bleibt da nicht.
(Viel Zeit für die einzelnen Zwischenstationen blieb bei dieser Marathontour nicht. Darauf kam es aber auch nicht an. Schon bald wurde der täglich zurückgelegte Weg für mich zum Ziel.)

10.13 Automeditation
Die Automeditation.
(Autofahren in den USA hat etwas Meditatives, Denis. Die Weite ist so grenzenlos!
Du kannst da tagelang autofahren, auf dem immergleichen Highway. Nur die Bilderbuchlandschaften im Hintergrund ändern sich und ziehen vorbei.- Vielfalt in der Gleichheit!)

10.14 Paris - Ovid
Sandsturm in Alco.
(Wir fuhren durch die eigentlichen USA, die Pampa zwischen den Großstädten an der Küste. Manchmal nur unterbrochen von Käffern wie Ovid oder Paris irgendwo in Idaho.
Und nach Paris kam Alco. Alco empfing uns mit einem Sandsturm.
Was tust du Alco, wenn du in einem Sandsturm festsizt, Denis?)

10.15 Lake Tahoe I
Planung für den nächsten Tag.
(Ich jedenfalls tat angesichts des Sandsturmes etwas für mich eher ungewöhnliches.
Ich ging die Route für den nächsten Tag durch.)

10.16 Lake Tahoe II
Lake Tahoe.
Was war denn jetzt los? Den Namen kenn ich doch.
(„Morgen kommt Kalifornien“, sagte Max. „Wir werden in Lake Tahoe übernachten.“
Mir liefen kleine kalte Schauer über den Rücken. Ich war elektrisiert. Was war denn jetzt los?
Da fiel mir wieder ein woher ich diesen Namen kannte. Ich kannte den Namen Lake Tahoe, er war mir erst jüngst in einem Buch begegnet.)

10.17 Der Lieblingsautor privat
Mut und Gnade.
(Das Buch hieß "Mut und Gnade" und war von meinem Lieblingsautor Ken Wilber.

Frag mich bloß nicht, wo ich ihn einordnen soll, Denis. Vielleicht ein spiritueller Philosoph oder so. Ein brillianter Denker und Vertreter der transpersonalen Psychologie. Er versucht in seinen Büchern, östliche und westliche Weisheiten, Wissenschaft und Spiritualität zu verbinden. Darum wird oft als New Age-ler gelabelt. Was aber so nicht stimmt, und das war mir wichtig. Er sieht New Age eher kritisch.

[Heute würde er sich selbst eher von der transpersonalen Psychologie distanzieren. Er ist Vertreter des "Neo-Perennialist" , Denis.]

Leider etwas kopflastig. Ich habe fast alle seine Bücher gelesen.

Aber ich wußte nichts von ihm privat. Nun schrieb Wilber endlich ein Buch mit einer ganz privaten Geschichte.

Die Geschichte in Kurzform: Ken erkennt seine große Liebe Treya. Ken und Treya heiraten. Ein paar Tage nach der Hochzeit wird bei Treya Brustkrebs festgestellt.
Ken zeichnet das Leben Treyas mit dieser Krankheit nach. Er hat das Glück, Treya dabei begleiten zu dürfen. Und die Leser haben das Glück die beiden dabei begleiten zu dürfen.

D [Treya holt meinen kleinen kopflastigen Denker auf den Boden zurück, Denis.])

10.18 Stimmung am See Tahoe
Wettlauf mit dem Sonnenuntergang, aber wir kommen zu spät. Der See liegt schon im Dunkeln.

(Der Weg nach Tahoe war ein Wettlauf mit dem Sonnenuntergang. Ich wollte so gerne wenigstens einen Blick erhaschen auf den See, an dem Ken und Treya einige Zeit gelebt hatten. Doch als wir schließlich in Tahoe ankamen, war die Sonne bereits untergegangen und der See lag im Dunkeln. Die Nächte im September kamen dort schnell. Wir suchten unser Motel und kippten in die Betten.)

10.19 Träume, die was bedeuten
Der Klartraum
In dieser Nacht träumte ich von Treya.
(D6 [Ich träume nicht oft, Denis. Träume haben keine große Bedeutung für mich. Ab und zu ist das anders.
Dann ist der Traum sehr klar, am nächsten Morgen noch präsent und ich weiß, er ist bedeutungsvoll.])

10.20 Treya auf dem Bootssteg
Klartraum von Treya. Am Bootssteg. Mir fällt die Körperhaltung auf.
(In dieser Nacht war mein Traum einer von diesen klaren Träumen. Treya sitzt neben mir auf dem Bootssteg am See.
Sie ist mir vertraut und da ist eine ganz große Liebe zwischen uns. Sie sieht aus wie auf dem Photo im Buch. Ihre Körperhaltung ist mir etwas fremd. Sie sitzt im Lotussitz. Nicht ganz. Das rechte Bein ist leicht gestreckt, fast so, als ob sie gleich aufspringen würde.
(Wenig später werde ich lesen, dass es die Bodhisattva-Fußhaltung ist.
Sie lächelt mich an.
Willst du nicht endlich nach Hause kommen?
(Bald wird Hanna im Traum zu mir das selbe sagen)

Als ich damit am nächsten Morgen erwachte, war dieser Traum für mich so real, als ob das Gespräch mit Treya tatsächlich stattgefunden hatte.)

10.21 Schmetterling im Traum
Ein Schmetterling, der träumt.
(D7 [Wie in dem chinesischen Sprichwort, Denis. Ich träume, ein Schmetterling zu sein. Doch jetzt weiß ich nicht mehr, ob ich noch träume. Bin ich ein Schmetterling, der träumt, ein Mensch zu sein oder bin ich ein Mensch, der träumt, ein Schmetterling zu sein?])

10.22 Auf immer und ewig
Das Versprechen von Treya.
(Am nächsten Morgen mußten wir früh aufbrechen, um die Tageskilometerzahl zu schaffen.
Ich wollte noch einen letzten Blick auf den See werfen. Während Max und Harald das Auto packten, blieb ich allein am Seeufer. Ich stand auf dem Bootssteg aus meinem Traum. Bunte Windspiele tanzten in der schon kühlen Septembermorgenluft und glitzerten in der Sonne.
Ich konnte hier nicht weggehen. Ich wollte hier nicht weggehen und begann zu weinen, aber nicht schmerzvoll sondern befreiend. Ich war da, wo ich sein sollte. Da wo ich immer hingewollt hatte. Das hatte ich all die Jahre gesucht. Da war das unbeschreibliche Gefühl, zu wissen, dass hier mein wirkliches Zuhause ist.

Wieder ist Treya neben mir und wieder lächelt sie.
Du kannst doch ruhig gehen. Du mußt sogar gehen, damit Du den Ort findest, der Dein wirkliches zu Hause ist. Wenn Du ihn gefunden hast, wirst Du ihn immer mitnehmen können.

Du mußt mir nur folgen. Dann wirst du die wahre Zuflucht finden. Und du wirst nach Hause kommen. Das verspreche ich dir.

Zu Denis: sie war so echt, Denis. ich zweifelte keinen Moment an ihren Worten.

10.23 Weiter geht's
Es geht weiter. Die Fahrt nach San Francisco.
(Wir brachen auf in Richtung San Francisco.
Die ganze Fahrt über blieb Treya gegenwärtig.
Wenn du mir folgst, wirst du mich finden. Wenn du mich suchst, wirst du dein zu Hause finden.
Zu Denis: diese Worte schienen mir sinnlos. Wozu noch suchen. Mein zu Hause war bereits gefunden. An diesem Ort hier, den ich nicht verlassen will.



D9 [Und Treya hat ihr Versprechen gehalten, Denis! Sie ist eine gute Freundin und immer gegenwärtig, wenn ich praktiziere.])

10.24 Weiter ohne Max
Wie schade, dass Max das nicht miterlebt hatte. Max interessiert sich nicht für solche Spinnereien. Und die ganze Fahrt über dachte ich, was immer hier begonnen hatte, ES WÜRDE GESCHEHEN OHNE MAX.) Welchen Platz ich auch immer finden würde, ich würde meine Heimat finden ohne Max. ich wußte, dass er nicht mein Zuhause sein würde. Er würde nicht dort sein.

Zu Denis: Was für ein merkwürdiges Gefühl. Ich war mir immer ganz sicher gewesen, dass Max mein Zuhause ist. Da, wo ich hingehörte, konnte er nicht mehr mit mir mitgehen. So wie ich damals drauf war, hätte mir das Angst einjagen müssen. Aber da war überhaupt keine Besorgnis. Nein, es tat mir leid für ihn, dass er nicht mitgehen konnte. Da war nichts als ein großes Mitgefühl

copyright*piri schmidt

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