Freitag, 23. Januar 2009

15. die Seifenblase platzt (Karfreitag '97)

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15.1 Vorahnung
Der erste Gedanke, als ich das Zelt verließ: So, jetzt hast du Kraft für die Scheidung. Absurd. Wie komme ich nur auf so einen Quatsch. Ich bin mir seiner Liebe ganz sicher. Nichts wäre gegangen ohne Max. Das wird unser gemeinsamer Start. Max hat mir den Text ins Ohr gesungen. Der Gedanke ist wie von Treyar Lake Toar . Treyar ist ja auch hier auch ganz präsent. Spricht sie zu mir? Treyar damals-heute.
[Dazwischen liegen 3 Jahre, Denis. Wenn ich nur auf sie gehört hätte. Ein sanfter Ausstieg hätte bestimmt nicht solche Kraft gekostet.]
15.2 Anco Retard
Die letzten Jahre seit meinem Umzug nach Berlin wurden die Schmerzen immer schlimmer. Wochenlanger Schlafentzug verursachte einen Schmerzkreis. [Da kommst du nicht mehr raus, Denis.]
Schmerzgedächtnis. (Achtung Darstellung)
Beim Phowa hatte ich noch so starke Schmerzen. Ein paar Tage danach finde ich einen neuen Hausarzt. Er verschreibt mir ein neues Medikament.
Über Nacht sind alle Schmerzen weg. Ein Wunder. [Wunder haben ihren Preis, Denis] Zum ersten Mal seit Jahren bin ich aus dem Schmerzkreislauf raus. Denke nicht mehr im Schmerz. Gehe nicht mehr von Schmerz zu Schmerz. Diese Zeit. Kann das Zufall sein? Ich habe Kraft. Ich habe Energie.
[Das war aber gutes Timing! Das schaffte für Max die Gelegenheit zu tun, was er dann auch tat.]
15.3 Da werde ich hingehen...Prophezeihung
Der Abend davor. Max schenkt mir eine Medizin-Buddha-Figur. Kauf mir Eifersucht. Der muss mich ja sehr lieben. Auf der Rückfahrt singe ich so lange bis wir am Schöneberger Zentrum vorbeifahren. Zu der Zeit noch eine Privatwohnung im dritten Stock. Unerreichbar für mich. War nur neugierig. Hier wirst du mich finden wenn du mich verlässt. Schatz! Was kommt da aus mir raus? Und warum? [Oh Verzeihung, ohne es zu ahnen. Eine Vorahnung, vielleicht doch nicht ganz ohne Ahnung.]
15.4 Die Seifenblase platzt
Verregneter Karfreitagmorgen. Frühstück mit Max. Wohlig warm. Das Nest ist gebaut. Totale Sicherheit. Zack. Völlig unerwartet. Max: "Ich liebe dich nicht mehr. Ich möchte die Scheidung."
[Meine erste Erinnerung?, Denis.- Ein rosa Luftballon platzt in Budapest. Wie eine Seifenblasse. Es wird die letzte Seifenblase in meinem Leben sein.]
Mein Leben besteht aus zerplatzten Seifenblasen. Alle meine Träume zerplatzen immer. Warum trifft es ausgerechnet mich immer so hart? Habe ich denn in meinem Leben nicht schon genug gelitten?
Er war weg. Am Abend zog er aus.

15.5 Schlechter Film
Warum muss bei mir immer alles schief gehen? das kann doch alles gar nicht wahr sein. Bestimmt werde ich gleich aufwachen.
[Gleich werde ich aufwachen, Denis. Das ist nur ein schlechter Film. Sowas passiert nur anderen, hatte ich immer gedacht.]
15.6 Ein Trauma kehrt zurück
Am Abend begriff ich langsam, was geschehen war. Aber ich begriff mit dem Kopf und lange nicht im Bauch. Die quälenden Fragen kommen. Was habe ich falsch gemacht? Hätte ich es verhindern können? Warum war er gegangen?
[Wenn die Liebe weg ist, ist sie weg. Über Anziehung kann man nicht diskutieren.]
Am Abend schaffe ich es, den Gedanken zuzulassen, dass er nicht wiederkommen wird. Jetzt bin ich allein. Wo soll ich hin? Wie soll ich nur weitermachen ohne ihn?
[Ich wusste nicht, wie ich die erste Nacht allein überstehen sollte, Denis. Zwar hatten die Krämpfe kurz nach dem Phowa durch das neue Medikament aufgehört. Doch nachts spürte ich, wie schnell mein herz raste und wie kurzatmig ich war. Denn wenn Max neben mir schläft, hörte ich den Unterschied zwischen unseren Atemzügen. Dann begann immer etwas ganz erstaunliches , nämlich der Rhythmus meiner Atemzüge glich sich den regelmäßigen Atemzügen von Max an. Mein herz hörte auf zu rasen und der Rhythmus wurde normal. Da war ein unglaubliches Gefühl von Nähe und Einheit. Nur darum, davon war überzeugt, hatte mein herz solange durchgehalten. (Achtung! Vergleichen mit Kapitel „Letzte Reinigung“)-
Nun wusste ich nicht, wie ich eine nacht ohne Max überleben sollte. Wie mein Herz das überleben sollte.]

Mein erster klarer Gedanke war: Silvester wieder alleine.
(Mein Silvester- Trauma war zurück, Denis.)
Es war nicht mehr nötig an Max zu denken. Er ist immer in meinen Gedanken. Immer noch der erste Gedanke, wenn ich aufstehe und der letzte Gedanke, bevor ich einschlafe.
15.7 Am Tag danach
Jetzt beginnt das Selbstmitleid.
Ich wusste irgendwann würde ich die Rechnung erhalten. Irgendwie hatte ich es geahnt. Ich hatte so oft versucht mit ihm zu reden. Schaffst du das noch? Überlastet dich das nicht? Doch von ihm kam immer nur: kein Problem. Sein Standardsatz. Max der Große schafft alles.
Wenn er unglücklich war, warum hat er das nicht gezeigt? Warum hat er nicht geredet? - Dann hätte ich alles versucht etwas zu verändern. Aber diese Chance hat er mir genommen.
In der folgenden Zeit weinte ich Tage und Nächte durch.
15.8 Der Nabel der Welt Max stand im Mittelpunkt bei AD, im Studium, bei Freunden, bei der Verbindung mit der Aussenwelt. Kommunikation kann ohne ihn nicht stattfinden. Im wahrsten Sinne des Wortes, die anderen verstehen mich nicht und ich verstehe die anderen nicht. Ohne Vermittler bin ich isoliert. Max ist Mittelpunkt, aber Max hat sich auch zum Mittelpunkt gemacht. Meine Freunde waren nicht meine Freunde, sondern die Freunde von Max. Wie soll ich das alles nur schaffen? Der Berg, der vor mir steht, ist riesig. Alleine kann ich das nicht schaffen. Noch ein Coach. Diese Rolle übernimmt Treya-Tara. Sie weicht nicht von meiner Seite.

Und dann gehts wiedermal voran. Atemzug um Atemzug. Besinn dich auf dich selbst. Immer nur Schritt um Schritt. Immer nur das, was als nächstes kommt. Das kennst du doch schon. Das kannst du doch auch diesesmal schaffen. Bei jedem Atemzug gehst du ein Stück weiter. Du blickst zurück und dann merkst du, dass du schon eine größere Strecke zurückgelegt hast als du denkst.

Irgendwann werde ich einen Tag durchstehen, ohne an ihn zu denken. Ich vertraue auf das undenkbare
15.9 Umerziehung
Also was, das ich ganz einfach abarbeiten kann, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. Wie ein kleines Kind, das lernen muss mit dem Leben zurecht zu kommen. Eigentlich kein Umerziehungsprogramm, sondern ein Neuerziehungsprogramm.


Jeden Tag setze ich mir kleine überschaubare Ziele. Traue mich eine Ecke weiter. Sogar das Einkaufen im Supermarkt ist neu für mich. Ich bin nichtmal gewohnt nur mit Begleitung einer Assistentin auch nur das Haus zu verlassen. Aber jeden Tag wage ich mich eine Strassenecke weiter. So vergrößere ich langsam den Radius.

Ich muss meinen Alltag zu strukturieren. Also nahm ich mir vor, jeden Tag einmal rauszugehen.


15.10 Der tägliche Trost Die täglichen Spaziergänge sind mir ein großer Trost. Helfen gegen das Alleinsein. Verlassensein und Einsamkeit werden lebbar. Jeden Tag wurde der Weg leichter. Mein Weg zurück in die Selbstständigkeit. Ich finde mich wieder. Ein symbolischer Weg.
15.11 Samsara
Jede Geschichte ist anders. Jeder hat sein eigenes Drama. So viele verschiedene Geschichten. Aber hinter jeder Geschichte, hinter allen Gesichtern sah ich dasselbe Leid. Ich war nicht mehr allein mit meinem Leid. Vielleicht ist mein Schmerz doch nichts aussergewöhnliches. Auch den anderen geht es ja nicht anders.
[Domian rettet mein Leben. Der Weltspiegel relativiert, Denis.]
Der gleiche Schmerz bei unterschiedlichen Geschichten. Dieselben Namen. Mein Drama ist nicht dramatischer als die der anderen. Drama überall. Das also ist Samsara. Der Schmerz ist, was er ist. Er ist eben da. Er kommt und geht. Durch den Schmerz sind wir verbunden. Vielleicht können wir uns im Schmerz begegnen. Denn meinen Schmerz kennt jeder. Das schafft Distanz. Ich kann den Schmerz beobachten. Er verändert sich. Er ist da, ich empfinde ihn, aber ich bin nicht dieser Schmerz.
15.12 Zu neuen Ufern
Das war mein kalter Entzug von Max. Es ist die eindeutig schwerste zeit in meinem Leben, aber auch die schönste. Ich bin unselbstständig, wie ein kleines Kind. Jetzt werde ich stark. Jeden Tag stärker.
Das tägliche Rauskommen brauche ich richtig als Methode. Den Geist ablenken. Den Geist mit neuen Bildern füllen. Ich weiß, das muss jetzt sein, damit ich wieder atmen kann.
Die Tage werden länger und wärmer. Wie überlebe ich nur den Winter? Ohne Spaziergänge. Ich bin so froh, dass die Trennung im April war. Frühling und Sommer liegen ja noch vor mir. Was soll´s? Um den Winter kümmere ich mich, wenn es Winter ist. Ich lass einfach auf mich zukommen. Was könnte ich auch anderes tun?
Die täglichen Spaziergänge sind aber sehr anstrengend. Ich weiß, dass ich ein Ritual brauche, das täglich abläuft, ohne mich jedesmal dafür entscheiden zu müssen. Mein Radius wird immer größer. Erreiche sogar den Park. Aber ich brauche einen Anreiz, um mich jeden Tag aufzuraffen.
Meine ganze Kraft geht bei diesen Spaziergängen drauf. Ich fand keinen Raum mehr, um auch noch zu meditieren. Aber das fehlt mir.
Also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich habe ein Ziel: meine täglichen Meditationen im Park. Schnell stand auch die Meditation fest. Ich hatte ein starke Verbindung zum XVI. Karmapa. Die Meditation, die er Ole gegeben hatte. Drei Lichter. Damit bin ich auch verbunden mit dem Lehrer.
15.13 Fast ein Guru- Yoga
Die Meditationen im Park sind sehr intensiv. Sie waren genau das, was ich jetzt brauchte. Ich machte ein tägliches Guru- Yoga.
Gute Eindrücke im Geist sammeln. Angenehme Eindrücke schaffen angenehme Eindrücke. Angenehme Eindrücke werden angezogen. Angenehme Eindrücke manifestieren sich. (Achtung! Siehe Film "Das Geheimnis").
Mein Geist war im Raum geborgen. Nichts war mehr verrückt. Alles war richtig. Alles war genau da, wo es hingehörte. Alles war gut. Dieser Raum war mal überall. Nichts war getrennt voneinander. Nichts war getrennt von mir, auch Max war nicht getrennt von mir. Der Weg, um mit Max zusammenzusein, bald nicht nur Ziel, sondern auch Grund. Auch wenn die halbe Welt zwischen uns liegt, ich kann gar nicht mehr von Max getrennt sein. Diese Vorstellung macht mit Mut. Mehr und mehr meiner alten Kraft kehrt zurück.
15.14 Die echte Zuflucht
In dieser Zeit erfährt mein Geist eine Weitung. Meine Energien rücken ab von den persönlichen Befindlichkeiten. Sie bekommen etwas überpersönliches.
Die anderen Geschichten wurden genaus wichtig für mich in dieser Zeit, wie meine eigene Geschichte. Es gab schlimmeres, als vom Ehemann verlassen zu werden. Langsam kommeich mir fast lächerlich vor, untern meiner Geschichte so zu leiden. Der Funke springt über. Die anderen werden für mich bedeutsamer, als ich für mich.

Auf die falsche Zuflucht gesetzt. Mein Leid ist relativiert. Der Weg zur Einsicht ist frei. Mit Max ist der Traum geplatzt. Der Traum, die Zuflucht in etwas vergänglichem zu finden. Die Lieben zu einem Mann ist vergänglich. Millionenfach passiert die selbe Story.

Immer wieder fallen mir Worte von Lama Ole ein... Zuflucht in die falsche Sache gesetzt...diese Wortfetzen wiederhole ich gebetsmühlenhaft. Die falsche Sache, die falsche Sache, die falsche Sache...

Ich hätte es wissen müssen. Warum hatte ich angenommen, dass es ausgerechnet bei mir anders ist?
[Wer nicht hören will, muss fühlen, Denis.]

Ich hatte doch so oft wiederholt: Mögen alle Wesen zum unveränderlichen Glück geführt werden. Zum einzigen , dauerhaften Glück. Die wahre Zuflucht kann man nur im eigenen Geist finden. Was mache ich? Ich setze meine Zuflucht in die Liebe zu Max.

Nie wieder würde ich meine Zuflucht in vergängliche Dinge setzen. Die einzige dauerhafte Zuflucht, das einzige dauerhafte Glück liegen in der Erkenntnis des eigenen Geistes.
Wenn man einen Fehler macht, dann ist das eine Erfahrung. Wenn man zweimal den gleichen Fehler macht, dann ist das Dummheit.
15.15 Überall und jederzeit
Wieder habe ich das Gefühl, eine Lehrgeschichte zu erleben.
Noch einmal würde mir das nicht passieren. Ich will nur noch zur Flucht in dauerhafte Ziele. Ich will meine Wirklichkeit bauen mit neuen Bausteinen. Die hatte ich zur rechten Zeit in die Hand bekommen. Ole sagt, der erste Schritt nach dem Powa soll Zuflucht in die drei Juwelen (B,d,s) sein.
Ich bekam die Bausteine für den Aufbau meiner neuen Wirklichkeit geliefert.
1. Drei- Lichter- Meditationen
2. Boddhisatva- Versprechen
in Kassel wiedergefunden.
15.16 Bausteine für die Wirklichkeit
Die Zufluchtsformel konnte ich überall hin mitnehmen. Die Zuflucht ist immer bei mir.
Dadurch das sich der Wunsch des Zufluchtsbann in mir auflöst werde ich Teil der Zuflucht. Ich bin die Zuflucht. Das kann ich dann auch an andere weitergeben. Lässt sich gut vereinbaren mit Boddhisattvaversprechen.

15.17 Schützerin gegen Verblendung
Ich wurde immer mutiger. Wie nach dem Suizidversuch gab es keine Begrenzung mehr. Im Sommer 97 fahe ich nach Kassel und nicht zum Phowa, denn trotz allem kenne ich noch meine Grenzen. Aber zu meiner Einweihung von Löpon Tsechu auf dem Namgyalma, einer Taraform. Namgyalma reinigt von Verblendungen in Körper und Geist. Das traf sich gut. Von meiner Verblendung Max für meine Zuflucht zu heilen.
Wohl nichts in meinem Leben hatte ich im Moment nötiger. Bei der Einweihung hat mir meine Freundin noch einmal ausdrücklich ihre Hilfe zugesichert. Und nichts hätte ich mehr brauchen können als die Hilfe einer guten Freundin gegen meine Verblendung.
[Es tat wirklich schrecklich weh, Denis, aber lalala, i will survive.]

copyright*piri schmidt

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