Freitag, 23. Januar 2009

21. the Boygroup (Herbst '99)

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(Achtung: Schreibstil ändern, viele Anmerkungen, viel du)
21.1 Ein halbes Jahr nach dem Krankenhaus
Die Medikamente waren sehr stark. Den ganzen Tag betäubt. Nur noch müde. Schlafe überall ein. Vielleicht 2 Stunden am Tag relativ klar. Diese 2 Stunden suchte ich nach Begründungen.

21.2 Gründe für die Trennung
Am Abend der Trennung ging Max ohne ein Wort, Denis. Ich bekam nie eine klare Antwort von Max. Das war mit das Verletzendste. Er hielt es nicht einmal für nötig, dass ich die Wahrheit kannte. Damit nahm er mir die Entscheidungsfreiheit. Die Möglichkeit viel früher mit ihm abzuschließen. Und einen Neuanfang zu beginnen. Bei meiner progressiven Krankheit hatte ich das Gefühl, dass mir so wichtige Jahre davonliefen. Darum blieb bei mir das Fragezeichen. Erst jetzt Jahre später, finde ich eine Antwort. Und zwar, als mir Max nach seinem letzten Umzug seine neue Einbauküche vorführte. Voller Stolz! Max braucht seine Einbauküche und seine ticky-tacky-Box. Da mein Körper immer mehr verfällt und ich weniger in eine Ticky-Tacky-Box passe war ihm klar geworden, dass er mich nicht lieben konnte. Aber als Anco Retart eine kleine Pause verschaffte, hatte er die genutzt. Er sah mich immer kälter an. Er war abgestoßen von mir. Mit meinem zunehmenden Verfall.

21.3
Ein echter Tulku
Hauptgewicht L. Einsamkeit kommt bekannt vor. Neu im kalten Deutschland. Wie kann ich helfen?
(Achtung! Frau und Kind nur für mich)


(Achtung! Gesplattet mit dem nächsten Kapitel "The Boygroup". Dort quasi Anfang und L. Einsamkeitsaspekt
Hier quasi zweiter Teil. Heilungsritual. Frau des Tulkus. Kind des Tulkus. Fazit durch den Tulku.)

In dieser Einsamkeit war er mir sehr nahe. Denn auch ich fühlte mich ja alleine und einsam.

Weil ich die Einsamkeit von L. so gut nachvollziehen konnte. Ich fühlte mit ihm. Ich suchte nach Lösungen für ihn. Ich wünschte so sehr ihm irgendwie hlefen zu können. Was konnte ich schon tun in meiner eingeschränkten Situation?

Dann kam der Osterkurs. In der Pause fiel mir ein großer junger Tibeter auf. Buntgekleidet. So was wie Roben.

Wer ist denn das? N.G. Mein erster Tulku. Ich erstarrte vor Ehrfurcht. Zwar hatte ich keine Ahnung was ein Tulku ist. Kannte nur den Begriff.

In der Pause sah ich ihn mit seiner deutschen Frau. Auf einmal fiel mir ein, dass sie doch ähnliche Situation erfahren haben mußten wie R./L. Ich glaube nicht, dass die deutsche Ausländerbehörde sich um Tulku oder nicht schert.

Die Frau schien die zunehmende Verkrampfung der Situation zu spüren. Sie wollte die Situation erstmal ein wenig auflockern und sprach deshalb zunächst allein mit mir: Ihr werdet gleich alleine sein. Ohne Übersetzung. Ich muss los zum Meditieren, warnte sie mich vor. Wo meditierst Du denn? Ich sitze. Sitzen für meditieren kannte ich nur aus dem Zen-Buddhismus. Darum fragte ich etwas erstaunt nach: Zen-Buddhismus?

Das gefiel mir. Die Frau machte ihr eigenes Ding. Ich hatte nicht erwartet, dass die Frau eines spirituellen Würdenträgers des tibetischen Buddhismus bei einem anderen Verein praktiziert. Sie hatte auch keine Bedenken, ihren Mann ohne Übersetzerin dieser Situation zu überlassen. Ich hol die dann wieder ab. Die Tochter wurde beim Papa geparkt. Auch das entsprach nicht dem Bild, das ich von einem Tulku hatte, der noch dazu ein tibetischer Mann war. Meiner Erwartung nach kümmern sich die tibetischen Männer nicht um die Erziehung der Kinder.

Das Heilungsritual beginnt. Der Tulku murmelt irgendwelche alten Texte und streicht mich mit einer Pfauenfeder aus.

( ...)

Bön-Ritual, Denis.

Das ganze erinnerte mich eher an Bön als an Buddhismus. Während der ganzen Dauer des Rituals tobte die Tochter mit L. in der Wohnung herum. Es ging oft ziemlich heftig zu. Der Tulku wurde oft unterbrochen und musste von vorne beginnen. Aber nicht einmal ließ er sich aus der Fassung bringen und wurde streng mit seiner Tochter.

(Stell dir vor, Denis was wäre wenn ...)
Ein Sonntag in einer christlichen Gemeinde: Ein Kind stört pausenlos die Andacht. Würde es nicht zurechtgewiesen? Zum Ruhigsein aufgefordert?

Der Tulku war ganz offen und lachte. Also ganz anders, als mein erster Eindruck war. Das bestätigte mir, wie problematisch der erste Eindruck ist.

Als die Frau wiederkam, setzte sie sich auf mein Bett und begann zu reden. Eine kräftige, volle dunkle Stimme. Eine Stimme, die nicht loslässt. Die mir irgendwoher vertraut vorkam. Als wir bei Dorje Sempa ankamen, wurde mir auf einmal klar, woher ich diese Stimme kannte. Es war die Stimme einer meiner Punk-Ikonen aus meiner Punkzeit Anfang/Mitte der Achtziger. Ich kannte die Stimme noch von damals. Es war tatsächlich eine Stimme, die man nie vergisst.

Später erzählte mir Rahel die Geschichte dieses Paares und dass es darüber auch einen Film gibt. Ein Tulku, wie ich mir einen Tulku nie vorgestellt hätte. Geht täglich trommeln in der Fußgängerzone. Ist mit einer Punksängerin verheiratet, die Zen-Buddhismus praktiziert. Mit einer sehr antiautoritären Vater-Tochter-Beziehung.

Es war für mich ein ganz wichtiges, tiefgreifendes Erlebnis. Es zeigte mir, wie voll ich immernoch mit Bildern und Erwartungen stecke, obwohl ich sie doch theoretisch schon längst als dumm erkannt hatte.






21.4 Ohne Sangha
Fühle mich alleine.
Medikamente lassen keine Energie mehr für soziale Kontakte. Ich werde einsam. Keine Kraft mehr um Freundschaften zu halten.
Und immer noch ohne Rollstuhl gerechte Sangha.

21.5 Definition von Sangha
Ort an dem Diamanten Diamanten schleifen.
So große Sehnsucht nach einer Sangha.

21.6 Zitat
"Wenn du den Weg verlierst, dann gehe dahin, wo dein Herz ist. Hole tief Luft und fange neu an." Keine Ahnung von wem das Zitat ist vielleicht Kahli Ibrahim.

21.7 DWBN Chat
Noch im Krankenhaus gibt mir eine Freundin einen Hinweis auf den DWBN Chat.
K. gibt mir noch im Krankenhaus die Adresse vom DWBN Chat.(Achtung! Wo wird K. eingeführt? Dicker Buddha mit Krönchen)
Warum nicht? Ich habe ja genug Zeit und nichts zu tun. Warum nicht ein bisschen herumspielen?
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21.8Achtung! Neue Textform- Geschichte für Denis in Briefform erzählen
[Wie auch immer ab jetzt seit ihr im Spiel, Jungs]
In diesem DWBN Chat bot sich ein verherrendes Bild. Ihr wart ein reiner Männerclub. Der gesamte Watzlawik rauf und runter. Keine Ich-Botschaften!

21.9 Der Weg zum Spiel
Schon im Krankenhaus begannen die Dinge mir zuzufallen. Chuluk, eine meiner Assistentinnen, erzählte mir von einer Freundin, bei der sie den "dicken Buddha mit dem Kröhnchen", der bei mir auf dem Altar steht, auf einem Bild gesehen hat.

Der Kontakt zu K. war geknüpft. Sie machte einen großen Flicken des Tibet-Teppiches aus, den ich in den nächsten Wochen zu weben begann. Sie gab mir ganz oft die richtigen Impulse für meinen Weg.
Sie war die erste Figur in meiner alternativen Sangha.
Jedenfalls, Denis, bereits ganz am Anfang des Kontaktes erfuhr ich über die Schulung/K.-Verbindung, dass es sogar eine Art Kagyu-Chat gibt. Der sei ganz witzig zu lesen und zu Teilen sogar recht fundiert.

Ich hatte fest vor da mal reinzuschauen. Ich hatte aber so damit zu tun, nach dem Krankenhaus wieder in meinen Alltag reinzukommen, dass dieses Chat-Ding erst mal gar nicht anstand.
Als ich ungefähr raus hatte, wann ich welche Tabletten zu nehmen hatte und wann ich halbwegs wach war, kam auch wieder mal das große Loch.

Was sollte ich denn in diesen wenigen Stunden machen. Meditieren war mir viel zu anstrengend. Lesen war mir viel zu anstrengend. Und dummerweise hatte ich eine ausgesprochene Abneigung gegen Vorlesen. Die habe ich eigentlich immernoch. Ich lebe mit meinen Büchern. Ich habe einen ganz eigenen Rhythmus zu lesen und Pausen einzulegen, um Anstöße aus dem Text durchzudenken. Jemand muss schon mit mir auf der gleichen Wellenlänge sein, damit das klappt.

Was mir noch halbwegs erträglich war, war das Beantworten von Emails. Beantworten unterstrichen, da ich damals noch selber tippen konnte. Also emailte ich mit Freunden, die damals noch relativ häufig in meinem Leben vorkamen. Nach der Trennung von N. bröckelte langsam dieser Freundeskreis vor sich hin. Das war bereits spürbar. Ich rechnete aber auch damit, dass es noch schlimmer werden würde, aber momentan war es noch ganz ertragbar.

Es blieb also beim emailen. Wie ich da so am PC saß, fiel mir ein, dass es ja irgendwo dieses Chat gibt mit buddhistischen Inhalt. Irgendwann habe ich dann zum ersten Mal ins DWBN-Chat geschaut. Und konnte gar nicht mehr aufhören zu lesen.


21.10 Kasperletheater
Das war genau das, was ich in diesem Moment brauchte. Denn das Chat erwies sich nicht als ein Chat im klassischen Sinne. Sondern als Verteiler, in dem Texte mit durchaus buddhistischen Inhalt verfasst wurden. Die richtige Mischung zwischen inspirierend, witzig und geistreich.

Bald empfand ich das alles als riesengroßes Kasperletheater zwischen den Leuten, die immer wieder schrieben. OK, Denis, ab jetzt seid ihr im Spiel. Da gab es festgelegte Rollen, mit festgelegten Protagonisten. Kasperle, Mephisto, Gretchen.

In meinem Kopf entstand natürlich eine genaue Voratellung der Leute, die ich ja überhaupt nicht kannte.

Genauso wie der superfreche Mephisto und der nur freche Kasperle zusammengehörten, genauso eindeutig war Mephisto der Gegenspieler zu Gretchen. Dem Schreibstil nach war Mephisto bestimmt ein Mann. Der Gegenspieler zu Mephisto war, in meinen Augen, natürlich eine Frau mit blonden Zöpfen und Faltenrock. Auch inhaltlich war Gretchen der Gegenpart zu Mephisto. Brav lehrbuchtreu. Liebe höhere Tochter.

Mit der Zeit bekam ich Zweifel. Die Gretchen schrieb, wie ein Gretel. Das war kein weiblicher Schreibstil. Ich stellte Gretchens weibliche Identität in Frage. Die Neugier wuchs und wuchs. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und ich fragte Gretchen privat. Gretchen war ein Freund aus Ungarn. Ich war sehr beruhigt, da war also meine Zeit in Seminaren über weibliche Linguistik nicht ganz umsonst. Auch gegen massivste Vorurteile von mir erkannte ich, einen weiblichen Stil.

21.11Männliche Linguistik
Die Liste der Leute, die im Chat schrieben waren bloß Männernamen. War ich denn hier in einer reinen Männergruppe gelandet?
Auch der Ton in diesem Chat war männlich -kopflastig. Nur nicht persönlich werden! Meistens schmießen sich Mephisto, Kasperle und Gretchen die Bälle zu. Fast wie abgesprochen.
xx

Mann versucht cool zu sein. Wer schreibt die beste theoretische Abhandlung.
Ständig auf der Jagd nach dem Wortwitz. Es wurde viel gelacht in diesem Chat, aber immer auf Kosten der Anderen. Dabei zieht Sarkasmus nur wenn er sich zum Ziel nimmt. Ironie muss immer Selbstironie sein, Denis. Sonst dient sie nur dazu den Anderen einzuschüchtern. Es war ein Männerlachen.

Von Emotionen oder Gefühlen war nie die Rede. Es fehlte die Selbstauthentizität. Kein Wunder dass sich keine Frau da rein traute.

21.12Die Mäuschen piepsen Die Jungs plusterten sich auf. Hahnenkämpfe mit zerhacken. Die Gockel plusterten sich auf. Wer ist der Beste, der Klügste.
Ab und zu piepse dann ein weibliches Mäuschen von iregendwo. Weißt du noch, Denis? Der Wortlaut war fast immer gleich. Bis jetzt habe ich immer nur mitgelesen, aber habe mich nie getraut was selbst zu schreiben, aber jetzt möchte ich mal was fragen...

Alle Gockel stürzten sich dann aufs Mäuschen. Sie zeigten sich von ihrer sanften Seite. Kein Gehacke mehr sondern nur noch Schmeicheleien. Mehr oder weniger plump. Im Versuch es Ole gleich zu tun. Sweet, Baby, Darling... naja, halt das was Männer glauben was Frauen hören wollen.

Ich lernte ein neues englisches Wort: to flat und erfand ein neues deutsches Wort. Die Gockel flätterten. Die Gockel flatterten und plusterten. Wer ist der schönste Hahn im Korb?

Offensichtlich war das dann ja auch genau das womit die meisten Mäuschen zufrieden waren. Was hat diese Gesellschaft den Frauen angetahn!!!

21.13 Boygroup vs. feministische Lingustik


Ich weiß schon, dass du jetzt grinsen wirst... Es ist mir gerade zu peinlich. Asche auf mein Haupt, auch ich habe es getahn...
Auch ich habe über den Spott der frechen Jungs gelacht und war immer gleichzeitig heilfroh, dass ich nicht die Zielscheibe ihrer Höhneleien war.

Aber ich war Zivi erfahren, Denis. Eigentlich hatte ich keine Angst mehr vor den Sprüchen der frechen Jungs. Darum wusste ich, als mir klar wurde was ich da tat, was zu tun war, um nicht von den üblichen Einschüchterungsversuchen männlicher Lingustik überrollt zu werden.

Hier musste mehr Authentizität rein, mehr persönliches, mehr Emotionen. Als mir wieder mal im Zentrum ein dummer Karma Spruch begegnete wusste ich was ich zu tun hatte. Völlig persönlich, dramatisch, unreflektiert!

Nun meine Herren so geht das auch, dass was zu zeigen war.
Wirklich, wirklich, wirklich, erinnerst du dich Denis? Die meisten Antworten auf diese Post kamen von Frauen. Als ob sie nur darauf gewartet hätten. So ging es also auch. Und was für tolle Antworten! Und zum ersten Mal auch inhaltlich tiefgründige Inhalte.

Wow! -Der Bann war gebrochen. Ab jetzt war die Teilnehmerliste gemischt.
Ich würde euch schon noch beibringen Denis, dass das Private politisch ist.


21.14 Kasperle und Mephisto
Schon als ich eure Namen das erste Mal auf der Teilnehmerliste gelesen hatte... Wart ihr mir ganz vertraut. Es kam mir ganz natürlich vor, dass ich euch hier fand. Gleich nach der ersten Kappelei schlossen Kasperle und ich ein Pakt. Wir gründeten ein Verein. Mephisto kam dazu mit den Worten: "MayI join this club?". Jetzt durfte jawohl klar sein wer was ist.

Jetzt war es so wie es.... ich suche da nach einem Wort: vorgesehen war, geplant war, vorherbestimmt war, gereift war. Was für ein Gefühl es war konnte ich nicht genau sagen. Eine übliche Mann Frau Verliebheit war es jedenfalls nicht. Eigentlich hatte ich ein ähnliches Gefühl nur schon einmal. Als ich einen kleinen Sieben jährigen Jungen auf einem Foto gesehen hatte.

Bald glaubte ich fest daran, dass Ole die Fäden zieht. Bestimmt hatte er alte Schüler beauftragt im Chat mal nach dem rechten zu schauen. Und es in Bewegung zu halten.

So hingen Kasperle und Mephisto ganz eindeutig zusammen. Bestimmt zwei alte Freunde, die sich am Abend nach ihrem Job auf ein Bier verabreden und sich gemeinsam ihre Chat-Beiträge ausdenken. Zwei New-Yorker Börsenmakler. Durchaus charmant. Und ein bisschen frech. Manchmal sehr frech. Die mussten nach New York gehören. Jungs mit großer Klappe sind meistens New-Yorker- oder Berliner-Rotzlöffel. Aus Berlin kamen sie nicht! Also was blieb?

Irgendwann würde ich die mal garantiert fragen, was davon stimmt.




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In a time of many literary styles and with a great premium on authenticity in peoples' private spheres, this is a factual account of the experience of my friends and students, Bob and Melanie Sachs, gifted healers, when their infant died...- Authentizität
[Meine Herren wartet ihr drauf. Der gesamte Watzlawik rauf und runter. Nur keine Blöße geben, nur keine Ich - Botschaften]


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