Freitag, 23. Januar 2009

22. das Mandala (Januar 2000)

-->
22.1 Das verschlafene Trauma
Dann kam der Herbst 99. Es kam die Zeit meiner herrlichen Tablettenmüdigkeit. Meine alljährliche Endzeitdepression. Kann man eine Depression verschlafen, Denis? -In diesem Jahr kriegte ich ihren Beginn, nämlich gar nicht recht mit. Wenn es sie denn überhaupt gab. Die Tabletten machten mich viel zu müde. Die meiste Zeit wachte ich gar nicht erst richtig auf.

22.2 Karmapa kommt Silvester
Die Zeit, die ich wach war schaute ich ein bisschen Kasperle-Theater. Oder segelte etwas ziellos durchs Internet. Und auf einmal stand das da, wovon ich niemals gedacht hätte, dass ich es jemals lesen würde. Eine Einladung! Der siebzehnte Karmapa würde zu Beginn des neuen Jahrtausends zum ersten Mal nach Europa kommen.

22.3 Keine Zeit für Trauma
Ich wachte auf und musste die Worte dreimal lesen, um sie zu verstehen. Doch da stand es.Augenblicklich begann ich zu organisieren. Darüber war vergessen, dass eigentlich Trauma-Zeit ist.

22.4 Das Kraftfeld zieht
Immer stärker, zuerst Jahrzehnte, seit der Zuflucht in Jahren, seit Karmapa 2000, Januar in diesem Jahr in Monaten.
Schon jetzt begann was das ganze Jahr über anhalten sollte. Alles fügte sich. Ganz leicht. Wie von selbst. Ganz mühelos. Die begleitenden Assistenten waren schnell gefunden. Die Unterbringung war schnell gefunden. Wie war das, die Buddhas sind immer da.

22.4.1 Ich denke oft an Piroschka
Es gibt so ganz furchtbare, verstaubte UFA-Filme, Denis. Ich denke oft an Piroschka -mit Lieselotte Pulver. Früher fiel jedem, der auf meinen Namen traf, als erstes der Film ein. Und die erste stolze Frage war immer, heißt Du so wegen dem Film? Doch inzwischen sterben gottseidank die Leute aus, die den Film noch kennen.

Die entschuldigende Erklärung wird überflüssig. Nein, nein, ich heiße nicht Piri, weil meine Eltern den Film so mögen, sondern weil sie einen Ungarn-Tick hatten. -und ich heiße Piri, weil ich in Budapest gezeugt worden war.

22.5 Der Kongress tanzt
Meine Generation aber war noch von diesem Sonntagsnachmittagsfilm geprägt.

Am ...Januar 00 kam ich an den Ort, den Karmapa gleich betreten würde. und zum ersten mal in dieser Runde seine westlichen Schüler treffen würde. Tausende von Menschen wimmelten durcheinander. Die Düsseldorfer Kongresshalle tanzte. Doch alles schien sich zusammenzufügen zu einem großen Ganzen. Wie einstudiert und doch von selbst. Eine große Choreographie. Ein riesiges Ballett. Mandala fügte sich zusammen!

22.6 Alles lächelt
Nur wer den Berliner Winter überlebt, hat den Berliner Sommer verdient! Sagt man hier in Berlin. An einem bestimmten Tag, meist im April, verschwinden mit einem Mal die grollend grauen Wintermienen. Endlich wird es warm! Und mit einem Mal, ganz plötzlich, lächelt dich jeder an. - So fühlte ich mich auch an jenem Tag in der Düsseledorfer Kongresshalle. Alle Gesichter waren freundlich und gelöst.

22.7 The spirit of...
Beglückt! Besselt! Ein verstaubter Ausdruck, aber er trifft am besten die Leichtigkeit der Stimmung. Die Halle war gefüllt mit Vorfreude. Darauf hatten so viele so lange gewartet. Nun war die Erfüllung dieses Traumes nicht mehr weit.

22.8 Einweihungen
Und ein ganz kleines bischen Stolz spürte ich auch. Wir würden in die Geschichte eingehen. Ich war dabei!- Der erste Besuch im Westen. Man war beteiligt an etwas Großem. Welche Einweihung könnte besser passen zu diesem Meilenstein, als die Einweihung auf Chenresig?

Das hatte ich mir gewünscht und diese Einweihung wurde dann auch wirklich angekündigt.

Aber auf einmal war zu hören, Karmapa wird die Einweihung auf Karma Pakshi und den Buddha des langen Lebens geben. Wer ist Karma Pakshi? Hatte ich noch nie gehört. Warum tun die denn sowas. Einfach das Programm ändern. Sind die sich denn der Bedeutung dieses Augenblickes nicht bewusst?
Aber niemand schien enttäuscht- ich schon.
Und mit dem Buddha des langen Lebens konnte ich auch nichts anfangen. Mein Leben zu verlängern war nicht mein unbedingtes Ziel. Diese Einweihung schien mir überflüssig. Ich konnte sie nicht gebrauchen.

22.9 Die Menge wispert
Als sich die Sitzreihen füllten, war zu hören, dass Hannah ins Deutsche übersetzen würde. Karmapa würde jeden persönlich segnen.

Aber diese Gelegenheit würde ich wohl nie bekommen. In Augenhöhe würde ich ihm wohl kaum begegnen. Wie merkwürdig es sein würde, ihm in die Augen zu schauen.
(Achtung! Gedanken und Gefühle im Präsens)

22.10 Karmapa im Nebenraum
Doch ich irrte mich! Nach den Einweihungen hieß es, Karmapa wird die Rollstuhlfahrer in einem Nebenraum segnen. Wow, Denis, ich würde Buddha sehn! Wie ist es nur, wenn man Buddha in die Augen schaut?

Ein Wirrwar aus weißen Seidenschals und roten Mönchen. Hannah, Ole! Karmapa kommt lachend auf mich zu. Da ist nur noch ein einziges Gefühl. Wiedererkennen, wiederfinden, wiedersehen.

Auf einmal bekommt alles einen Sinn. Mein ganzer Weg ist Weisheit. Er führt mich an diesem Abend zum Ziel. Alles geschieht, um in diesem Moment hier zu sein...

Karmapa lacht immer noch und steht jetzt vor mir. Doch ich verpasse meine Chance. Traue mich nicht ihm direkt in die Augen zu schauen. Doch er wartet, bis ich meinen Blick heben kann. Unsere Blicke treffen sich und sein Lachen scheint zu sagen: hier steckst du also! Nicht so leicht dieses Mal.

Ein überforderter Mönch reicht Segenswasser. Etliche Rollstühle waren da. Ich dachte schon dieses Mal käme ich um die leidige Segenswasserprozedur drumherum. Mit der Hand zum Mund und dann auch noch über den Kopf streichen. Meine Hand krampft natürlich. Wie immer in solchen Situationen. Koordinierte Bewegungen kriege ich jetzt nicht hin.

Ole greift ein. Er führt einfach meine Hand. Er tut einfach was vor der Nase liegt. Ohne jede Spur von klebrigem Mitleid...
In diesem Augenblick wird aus Lama Ole, Ole. Alle Bedenken gegen ihn und seine steifen Sprüche sind weggewischt. Ich weiß jetzt, daß er mein Spiegel ist. Ich kann ihm bedingungslos vertrauen. (Bezug zu Ostereier in Stuttgart).

Hier ist mein Spiegel. Er zeigt mir meine Trips. Wenn ich etwas erkenne, das mich an ihm stört, werde ich beobachten, ob nicht nur steife Vorstellungen von mir selbst berührt werden.

22.11 Segenswasserprozedur
Traditionell tibetische Rituale sind ein Problem für mich, Denis.
Ein armer, konfuser, überforderter Mann musste Segenswasser verteilen. Immer wenn ich die Hand öffnen will, verkrampft sich die Hand natürlich besonders. Mit der Hand zum Mund und den Rest mit der Hand über den Kopf. Koordinierte Bewegungen kriege ich erst recht nicht hin. Ich bin überfordert.
Der Mönch, der Segenswasser spendet, weiß nicht, wie er sich verhalten soll und ist auch überfordert. Aber diesmal sind nur Rollis im Raum. Die werden ähnliche Probleme haben. Vielleicht verzichte ich diesmal darauf. Vielleicht komme ich diesmal um die leidige Segenswasserprozedur herum.

22.12 Mein geliebter Lama
Bitte, bitte, nicht diesmal, nicht ausgerechnet jetzt vor Karmapa! Ich werde alles verpatzen. Und allen den wunderbaren Augenblicks verderben

Verdammt- und natürlich
Die Hand verkrampft sich schlimmer als jemals zuvor. Manchmal hasse ich diesen verdammten Körper. Kann ich nicht einmal tun, was ich will. Nichts geht mehr. Und der Mönch kommt näher. Dann ist er die Schlange durch. Noch eine Person vor mir. Gleich werde ich dran sein. Meine Panik steigt hoch.
Das ist Ole neben mir. Ich glaube er spührt meine Not. Ohne zu zögern greift er ein. Er führt meine Hand auf meinen Kopf. Völlig präsent ! Völlig pragmatisch ! Er tut das was vor der Nase liegt. Ole greift ein. Aber er macht, er tut genau das was vor der Nase liegt. Keine Spur von klebrigem Mitleid. Mein Herz hat mein Lama gefunden. Ich kann ihm bedingungslos vertrauen. (Achtung ! Erst jetzt. Nachchecken bei Zuflucht und Osterkurs in Berlin.) Alle Bedenken gegen ihn und seine Sprüche sind weg gewischt. Wenn ich etwas erkenne was mich an ihm stört werde ich erstmal beobachten, ob nicht meine eigenen steifen Vorstellungen berührt und herausgefordert werden. Hier ist mein Spiegel. Er wird mir meine Trips zeigen. Ich vertraue ihm bedingungslos. Er ist der erste Lehrer, durch den ich die Spiegelgleichheit erfahren werde.

22.12.1 Wurzellehrer
Er wird mir zeigen wer ich wirklich bin. Zum ersten Mal erfahren, dass ich Klares Licht bin.

22. 13. Come on
Der Höhpunkt des nächsten Tages waren Zuflucht und Bodhisattvaversprechen mit Karmapa. Die Schüler wiederholten den tibetischen Text von Karmapa. An irgendeiner Stelle sollten wir mal unsere tibetischen Namen einfügen. Das ging schief. Es klappte nicht und klappte nicht und klappte nicht. Wir patzten. Karmapa lächelte ein belustigtliebevolles Lächeln und schaute in den Saal, oh come on.
Das hatte er nicht zu 60.000 (Zahl nachchecken) Leuten gesagt, sondern nur zu mir. Es war nur für mich. Und ich weiß das wird bleiben. Immer wenn ich glaube nicht mehr weiter zu können, wird es da sein. Come on !, Komm schon !, Mach schon !, Steh auf !, Geh weiter!

22.14. Die Ameise und der Strohalm
Das wird auch beim Praktizieren immer im Vordergrund stehen.
Die Begegnung mit Karmapa ist seitdem immer come on keep on trying, irgendwann wirds klappen.
In Tibet lebte ein Händler. Seine Geschäfte gingen nicht sehr gut und er fragte was er tun könnte.
Eines Tages beobachtete er eine Ameise, die an einem Grashalm hochzuklettern versuchte. Immer wieder misslang ihr das und sie fiel runter, aber sie begann stehts von Neuem. Sie machte einfach weiter.
Der Händler lachte, denn jetzt hatte es die Antwort darauf, wie er erfolgreich sein würde. Er würde sich einfach nicht erschüttern lassen. Und den Weg immer wieder gehen. Sein Geschäft wurde sehr erfolgreich.

Das war eine gute Anleitung um zu praktizieren. Immer wieder den Weg gehen. Einfach weitermachen, unerschütterlich. Come on. (In München das Gefühl betonen, weitermachen in der Praxis, um Karmapa eine Freude zu machen.)














copyright* piri schmidt

Keine Kommentare: