Freitag, 23. Januar 2009

28. dies ist, weil jenes ist





28.1 Countdown
Trotzdem wäre ich in Moskau gerne dabei gewesen. Immerhin emailten wir uns auch über Moskau und ich konnte die Vorfreude mit ihm teilen.

Wir emailten uns in Kurzform.
Denis: Guten Morgen! Wenig Zeit heut. Viel Arbeitsstress.
Piri: Ich wünsch dir einen schönen Tag und hau' sie um!

Du warst in Zeitdruck. Die Zeit bis Moskau wurde knapp. Bis Moskau wolltest du die Arbeit an der russischen Website beendet haben und wolltest Ole das Ergebnis in Moskau präsentieren.
Dennis hoffte so sehr auf die Anerkennung durch seinen Lama. Dafür schämte er sich fast. Er hatte wohl etwas Furcht, sein Ego damit aufzuplustern, was man sich ja wohl nicht wünschen sollte. Ihm kam es irgendwie wie spiritueller Stolz vor.
Dennis: Einmal war ich sooo stolz darauf, dass Ole mich gelobt hat.... Er hat gesagt, er braucht mich bei der Arbeit. Ganz leise hat er das gesagt. Ich bin sicher, niemand hat das gehört. Aber ich, ich habe es gehört! - Das plustert mein Ego ziemlich auf.
Piri: Da finde ich jetzt nicht so schlimm. Ole anerkennt Arbeit für den Lama. Wenn du seine Anerkennung willst, musst du etwas hilfreiches für den Dharma tun. Wenn du dein Ego aufplusterst, um hilfreich für den Dharma zu sein, dann finde ich es voll ok, wenn du dein Ego aufbläst.
Jedenfalls war Dennis (du) echt im Stress. Der Countdown für deine Arbeit lief. Das bedeutete, wir würden uns bald treffen können. Auch dafür lief der Countdown. Wir hatten uns ja vorgenommen, Silvester in Hamburg.
Was für ein klasse Abschluß dieses Jahr.

28.2 Fertig

Und eines abends war dann der alte Denis wieder da.
Denis: Wow! Fertig! Bis auf ein paar Kleinigkeiten.
Komm und schau mal - ich erwarte deine Komplimente.
Piri: Klasse!!! Alles so schön bunt. Sieht prima aus - Aber soviel russisch!
Die Arbeit an der webseite war eigentlich abgeschlossen. Als nächstes stand nur noch die Übersetzung ins Englische an.

Wir fanden zurück zur selben Leichtigkeit wie immer. Ich lachte wieder Tränen über unsere E-Mails.

28.3 Was soll das denn jetzt?

Dann hast du etwas gesagt, was so gar nicht zu dieser Leichtigkeit passte.

Denis: Vergiss mich nicht!

Das passte überhaupt nicht in den Zusammenhang und stand da ziemlich einsam.
Ich spürte einen Stich ins Herz.
Da war etwas Schweres... Warum sagte er das nur?
Piri: Sieht so aus, als ob ich dich mein Leben lang nicht vergessen könnte. Warum sollte ich gerade jetzt damit beginnen?

Danach ging der flapsige Email-Ton weiter.

28.4 Wieder mal ein wenig Zucker in den Tee

Bis... ja bis, ich einen Ausrutscher machte.Ich hatte nicht genau überlegt und eine etwas flapsige Bemerkung über Russland und seine Rolle im Tschetschenienkrieg gemacht.

Denis: Die Straßen hier sind so dreckig. Nicht alles so schön sauber wie in Deutschland. Wir haben hier zu wenig Geld dafür .
Piri: Wenn ihr Putin nicht erlauben würdet so viel Geld für einen Krieg in Tschetschenien rauszuschmeißen dann hättet ihr auch Geld für eine effektive Straßenreinung.

Was kann ich zu meiner Rechtfertigung sagen? -
Ich bin ein 68er Kind. Sowas wie Naionalstolz war mir fremd. - Wohlgemerkt, wir lebten damals in Zeiten vor der WM 2006 in Deutschland und etwas über die sauberen Deutschen zu hören war mir nun doch etwas zu klischeeig. Ich war mir wirklich nicht sicher wie er das meinte. Ich entschied mich dafür, dass er (du) mich aufzog. Darum wählte ich ein Konter auf der Ebene auf der ich glaubte zu sein.
28.5 Dennis schmollt
Natürlich, nun war es mal wieder Zeit für einen kleinen Zusammenprall der Kulturen. Diesmal war eime Menge Zucker im Tee.
Dennis: Sprich nicht so! so lange du noch nicht hier lebst, hast du kein Recht uns dafür zu kritisieren.
Ja ok. Das kannten wir nun schon....Schon jetzt würde er erstmal eine Zeit lang schmollen. Dann wäre wie immer das Gewitter vorbei. Dann wäre wieder schönes Wetter.
Dennis war kein Fan von Putin. Ich dachte es würde ihm nichts ausmachen, wenn ich über Putin herzog. Was war das nur für ein seltsames Ding mit den Russen und diesem nationalstolz, den man so schnell beleidgen konnte.
Ja, ganz eindeutig, eins dieser Salz in der Suppe-Spielchen. Das Beste was in dieser Situation half, war ihn einfach in Ruhe zu lassen. Ausschmollen! Wie zu erwarten schwieg Dennis. Er schwieg länger als sonst. Er schwieg verdammt lange.
Was war passiert?- Also so schlimm war das, was ich gesagt hatte ja nun auch nicht gewesen. Als er nach Tagen immer noch schwieg, entschloß ich mich mal kräftig weiße Fahne zu schwengen.
Piri: Hallo- o...Dennis....ich bins...Weisst du noch...seit ein paar Wochen schreiben wir uns dreimal am Tag. Ich wollte nicht das russische Volk beleidigen. Ich hatte nur nicht damit gerechnet jedesWort auf die Goldwaage legen zu müssen.
Dennis aber schwieg weiter. Das könnte doch alles gar nicht wahr sein. Jetzt spinnt er aber echt rum. Aber Dennis schwieg...Unsere verbindung schien abgerissen- einfach so wegen nichts.
28.6. Viel Lärm um nichts?
Es kommt, was kommen muss. Es kam durch die übliche Piri-Krise. Wenn unsere Verbindung wegen so einer Kleinigkeit abreißen konnte, gab es dann überhaupt noch die Verbindung, von der ich glaubte, dass sie dagewesen wäre?
Ich hatte ja von Anfang an den Verdacht, dass Denis ein bisschen schwindelt in Bezug auf unsere Verbundenheit in unserem letzten Leben. Hatte ich mir den Rest nur zusammenkonstruiert? Vielleicht hatte ich auch nur eine Verbindung gesehen, weil ich sie sehen wollte.
Much ado about nothing - Viel Getue um gar nichts!
28.7 Gründe suchen
Der eine Grund war natürlich leicht. Dass ich zu viel in die Sache hineininterpretiert hatte. Es könnte ja auch sein, dass wirklich etwas passiert wäre, was ihn davon abhielt, mir zu antworten. Piri, was tust du denn da?
Du willst ja schon wieder nicht die Realität sehen! Du hast doch jetzt den eindeutigen Beweis, dass da nichts ist. Und alles, was dir einfällt, ist, dir die Fakten schon wieder irgendwie zurechtzubiegen.
28.8 Reinigung
Ich wollte diesen Gedanken loswerden. Er lag da, wie ein schwerer Brocken und blockierte alles. Ich flüchtete darum ins Zentrum. Teils Ablenkung, teils Schutz. Vor allem aber für die Dorje Sempa-Meditation.
Der dicke, schwarze Brocken wurde einfach weggereinigt. Ausgeschwemmt vom vom Segensnektar. Ein großes Vorhaben Ich brauche Unterstützung. Ich hole mir Unterstützung. Und was würde besser passen als die Segenspille von Chechu aus Kassel. Die ich immer noch aufbewart habe. Heute war der richtige Tag. Ich hatte das sichere Gefühl. Also nahm ich sie ein.
An diesem Sptäsommerabend gehe ich ins Zentrum. Wider Erwarten war Katharina da. Ich hatte sie sehr lange nicht gesehen. ich freue mich total. Immer, wenn ich sie sehe ist der Raum zwischen uns ... geistreich. Es entsteht immer etwas, das ich nutzen kann. Ich habe immer das Gefühl, weiter zu kommen.
Dieser Abend ist so gesegnet, ich hatte eine mega-bombastische Sensation erwartet. Und er war ganz unspektakulär. Normalerweise lasse ich mich davon nicht mehr beirren. Ich hatte es mir eben nur anders vorgestellt. Verdammte Erwartungen immer.
An diesem Abend war Inka meine Helferin. Seit Kassel stand sie kurz vor ihrer Zufluchtnahme. Auch sie hatte Freude an der Meditation gehabt. Ich wäre gerne den Gedanken losgeworden. So war sie halb weg an diesem warmen Sommerabend. leicht, entspannt und heiter.
28.9 Und dann hat es klick gemacht
Ich war heiter, gutgelaunt und beschwingt. Und irgendwie noch viel zu aufgedreht, um ins Bett zu gehen.
Ich wollte erst noch ein bisschen runterkommen. darum rief ich erst nochmal die Emails ab. Mal sehen, was sich im Chat so tut. Inka las mit die Betreffs der Emails vor. Na, das ging ja wieder mal heiß her. Ich probierte aber immer noch, rauszukriegen, um welches Thema es überhaupt ging.
Inka las den Betreff veiner Email von einem ungarischen Freund, den ich früher einmal für Gretchen gehalten hatte, vor. Er hatte schon länger nicht geschrieben. Ich freute mich auf eine Nachricht von meinem Ex-Gretchen. Verdammt lange her, oder, Denis!
Nur der Betreff passte irgendwie nicht in den Kontext. Ich glaube, darum öffnete ich. Ich hatte das Gefühl, dass etwas sehr Wichtoges auf mich wartete. Inka las vor. Sie war sehr kurz. Nur ein paar Worte
Da stand etwas über Denis Golubev. Und gegangen sein. Ich horchte auf. Und probierte, die Gedanken zu sortieren. Was, wie, wo, wer? Ich weiß noch wie ich dachte: Wie merkwürdig, wie komisch. Von gegangen sein redet man doch nur, wenn jemand gestorben ist.
Sie las die Worte, begriffen habe ich sie jedoch nicht. Vielleicht hatte ich sie ja auch begriffen, wollte sie nur nicht zulassen. Die Worte kamen an, ohne dass sie ankamen. Auf einmal begann ich zu weinen. Fast war ich erstaunt darüber.
Ich brach in Tränen aus. Und langsam ließ ich die Erkenntnis zu.
Denis war tot.

28.10 Infosuche Nun hämmerten die Gedanken. Denis war tot. Was war passiert? Wann war es passiert? Hatte Denis darum nicht geantwortet? Wen könnte ich fragen?
Ex-Gretchen wusste nichts näher. Wen gab es noch?
. Ich hatte Skrupel Caty
mit meiner Infosuche zu behelligen. Die hatten bestimmt wichtigeres zu tun, als die persönlichen Dramen ihrer Schüler zu lösen. Wenn das alle tun würden.

28.11 Dann aber doch Caty
Ich bin verzweifelt. Schließlich fasse ich mir ein Herz und maile Caty- sie kann ja nein sagen. Auch wenn ich immer noch fand, dass ich Caty nicht mit meinen perösnlichen Belangen behelligen sollte, meine Minderwertigskeitskomplexe interessierten jetzt nicht.
Ole und Caty waren gerade waren gerade beim Phowakurs in Bulgarien. Großergott, Bulgarien! Nur ein paar Tage beginnt das Phowa in Moskau. Nun, mit einem MaL ist alles anders. Denis würde meinen Gau nie bekommen. Es konnte doch alles gar nicht wahr sein! Er würde den Gau nie bekommen!

Caty antwortete mir sofort. Sie wusste sogleich, worum es geht. Ich war so froh, dass dieses Thema Ole und Caty so beschäftigen schien. Das war irgendwie sehr tröstlich für mich. Denis war der Freund für Ole, der er immer hatte sein wollen. Ich war Ole in diesem Moment so nah wie niemals zuvor. Wir teilten ein Gefühl.

Viele Fakten wusste Caty auch nicht. Ein paar Tage bevor der Irkutsk-Sangha nach Moskau aufbrechen wollte, war Denis mit einem Freund und dessen Sohn auf einer Rafting-Tour.
Plötzlich brach Hochwasser in den Fluss. Vermutlich ging alles sehr schnell. Die beiden Männer sürzten sofort über Bord. Der Junge blieb angeschnallt im Boot zurück. Aber auch er überlebte nicht.


Aber nur ein Körper wurde angespült. Da er ungefähr 10 Tage im Wasser getrieben hatte, konnte er nicht gleich identifiziert werden.

Ich habe gehört, Denis, dass es dort viele Bären gibt. Die trotz allem angreifen. Den Rest kann man sich wohl denken!

Der Gedanke war furchtbar. Denis -vom Bären zerrissen! Aber die Alternative war auch nicht besser. Ein vom Wasser aufgedunsteter und entstellter Denis. Schließlich wurde der Körper identifiziert. Er war es wirklich, die Segensbänder an seinem Körper waren noch unbeschädigt.
Als Caty mir das sagte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Das war ein Zeichen. Der Segen hat sich gehalten. Denis war beschützt in den Tod gegangen.

Bestimmt war alles gut gegangen und Denis hatte den Übergang ins Reine Land geschafft.

Ich hatte so ein warmes Gefühl gegenüber Caty. Ich fühlte mich ihr so sehr verbunden. Ich wusste, dass sie gewusst hatte, die Info mit den Segensbändern würde mich beruhigen.
Wie ich auch von Caty erfuhr, hatte Ole noch in Bulgarien für Denis Phowa gemacht. Ole sagte, kein Zweifel!!!



28.12 Caty und der Gau
Ein paar Tage später emailt mir Caty noch einmal. Sie und Ole waren inzwischen in Moskau angekommen. Da Dennis nirgends zu finden war, gab er das Päckchen einfach Caty.
Sie wollte nun von mir wissen, was sie mit dem Gau machen sollte. Sie nahm an es sei ein Gau aus Kassel. Sie wußtenscheinend noch dass ich inKkassel war. Dass ich dort den Gau für Dennis gekauft hatte.
Ich teilte Caty mit, dass ich den Gau weiterverschenken wollte. Sie sollte jemand finden, den der Gau in seinem Schmerz trösten könnte. Es fiel mir gar nicht schwer, die Entscheidung in ihre Hand zu legen. Der Gedanke, dass ich jemanden in seinem Schmerz trösten könnte, tröstete mich in meinem Schmerz.



28.13 Dies ist, weil jenes ist
Dies war also dein letztes Geschenk an mich, Dennis Dein Tod hat mich gezwungen dem Leben eine Chance zur Entwicklung zu geben. Mit dem Leben in Kontakt treten.
Damals war ich gezwungen mich Ole anzuvertrauen - und so emailte ich ihm wie selbstverständlich. Niemand wird mir je emotional näher sein.

Es war mir egal, wie ich wirkte. Es war mir egal, ob ich dumme Fragen stellte. Egal, wie ich wirkte. Ole wird da sein, bei jeder Krise. Ganz nah bei mir.
Das musste das Gefühl sein, von dem ich so oft gelesen hatte. Der Lama war da. Ganz eng, ganz verbunden mit mir. Ganz untrennbar von mir. Diese Verbindung war immer da, egal, ob ich ihn live treffe oder nicht.

(Achtung! Text durchsuchen, Stelle abschwächen. Aber auch Gefühle erst hier)

Ohne dich hätte ich das vielleicht nie erfahren. Die bedingungslose Liebe zum Lama wäre wiedermal eine dieser üblichen Lehrbuchfloskeln geworden.
Ich habe oft darüber nachgedacht, Denis. Ein letztes Mal war ich dir so dankbar, für diesen neuen Blick auf meinen Lama. Ich traute mich kaum, dieses Gefühl zuzulassen. Irgendwie müsste ich doch mehr zerknirscht sein, dachte ich. Aber ich habe getrauert und trotzdem ein kostbares Geschenk erhalten.

Doch als derjenige, durch den ich Lehrbuchfloskeln erfahren habe, wirst du mir bewußt bleiben.
28.14. Mein Tibetteppich Das Zurückerinnern ist nicht nur das Ende, sondern auch der Anfang von etwas.
Etwas geht weiter. Das was in der Erinnerung liegt, wird nur aufgegriffen und weitergespielt werden. Dann entsteht so etwas wie ein Gewebe. Etwas sehr schmerzliches ist der Anstoß für etwas neues.


Nähe wächst! Wenn ich mich jetzt zurückerinnere an die Mails zwischen Ole, Caty und mir, dann denke ich nicht nur an den Schmerz, sondern auch an die große Verbundenheit, die dadurch für mich entstand.

Da entstand ein Netz. Ein Ende wurde zum Anfang. Etwas ging weiter. Wurde weitergespielt.

Durch den Tod von Dennis wurde ein großer bunter Tibetteppich gewoben.

Alles war verwoben! Alles war verbunden! Von Irkutsk bis Berlin, von Bulgarien bis Moskau, Ole, Caty, der zukünftige Gaubesitzer ,...Ein ganzes Gewebe? - Nein! Irgendetwas fehlte da noch in der Verbundenheit.

copyright *piri schmidt
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